Im Knast zu sterben und es im Voraus zu wissen.

Proletarische Autonomie Magdeburg

Etwa 40 Gefangene aus verschiedenen Strafanstalten in Spanien traten am vergangenen 1. Mai 2019 in einen kollektiven 15-tägigen Hungerstreik. Sie stellten dabei 14 Forderungen auf, die sich gegen Folter und Isolation wendeten und die auf den Respekt ihrer fundamentalen Rechte als Personen, deren Freiheit beraubt wurde, und auf die Freiheit von Carmen Badía beharrten.

Vor fast drei Jahren, im Sommer 2016, machten Gefangene aus verschiedenen Gefängnissen des spanischen Staates einen Vorschlag zum aktiven Kampf, um die Verletzung von fundamentalen Rechten anzuprangern, die sie durch die Strafeinrichtungen und die öffentlichen Institutionen erleiden. Sie waren dabei inspiriert von vergangenen Kämpfen gegen das Knastsystem, wie die COPEL oder der APRE. Nach vorhergegangenen Diskussionen und verschiedenen Vorschlägen entschieden die Gefangenen und Unterstützungsgruppen im Februar 2018 zum ersten mal eine gemeinsame Protestaktion und riefen für den 1. Mai 2018 in allen Gefängnissen des Landes zum kollektiven Hungerstreik auf, der 15 Tage andauern sollte. Das Ziel dieser Protestform war, Aktionen zu koordinieren, die sich innerhalb und außerhalb der Knäste abspielten, um den Kampf gegen die Knäste zu verstärken. Etwa 30 Gefangene beteiligten sich an dieser Aktion und erhielten – dank der Arbeit der Supportgruppen und der Verbreitung der Information durch einige Medien – große Unterstützung auf der Straße.
Der Vorschlag zum kollektiven Kampf hatte so großen Erfolg und große Auswirkungen, dass es zu zwei weiteren Aufrufen zum Hungerstreik im Oktober und Dezember kam. Die Intention dahinter war, den Dialog und die Kommunikation zwischen Gefangenen, Supportgruppen und verschiedenen Organisationen, die sich dem Kampf gegen Knäste widmen und für Menschenrechte einsetzen, aufrecht zu erhalten. Diese ganzen Protestaktionen, Reflexionen, Debatten im Laufe des Jahres 2018 führten zu einem erneuten Aufruf zum kollektiven Hungerstreik der Gefangenen, der sich vom 1. bis zum 15. Mai 2019 in verschiedenen Strafanstalten in Spanien abspielte.
Am 1. Mai, der Tag an dem der Hungerstreik begann, war die Gefangene Carmen Badía schon 52 Tage in Zaragoza im Hungerstreik und lag mittlerweile auf der Krankenstation des Gefängnisses. Dieser Streik war ihr letztes Druckmittel, die Behörden dazu zu bringen, das Gesetz einzuhalten, das vorschreibt, Gefangene mit schweren Krankheiten freizulassen. Carmen Badía ist eine Gefangene, die Krebsleiden und schwere Herzprobleme hat. Sie ist 62 Jahre alt und 14 Jahre im Gefängnis. Sie wurde insgesamt zu 24 Jahren verurteilt. Aufgrund der unumkehrbaren Konsequenzen für ihre Gesundheit beendete sie ihren Hungerstreik am 3. Mai, um noch etwas Lebenszeit zu haben, ihren Kampf für die Rechte der Gefangenen fortzusetzen.
Der Fall von Carmen ist nur einer von vielen Fällen von kranken Personen in den Gefängnissen des spanischen Staates. Während der Tage ihres Hungerstreiks starben mindestens 6 Menschen, die trotz schwerer Krankheiten eingesperrt waren: Am 16. März in Foncalent, am 17. März in Navalcarnero, am 9. April in Estremera, am 15. April in Las Palmas, am 19. April wieder in Foncalent, am 26. April in Teixeiro.

Das erinnert an den Fall der revolutionären Kommunistin der PCE Isabel Aparicio Sánchez, die aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustands am 1. April 2014 im gleichen Gefängnis in Zaragoza mit 60 Jahren gestorben ist. Sie war 42 Jahre politisch organisiert und aktiv, davon 22 Jahre im Untergrund und 15 Jahre im Gefängnis.
Unsere gefangene Genossin Lisa schreibt zu der neuen Mobilisierung von Hungerstreiks Folgendes:
„Die Gründe, gegen jede Ungerechtigkeit, Strafe, Isolation und Rache zu kämpfen, die mit dem Gefängnissystem vom Staat im Namen der „Gerechtigkeit“ begannen werden, sind unendlich. Die Notwendigkeit, unsere Würde und unser Überleben zu verteidigen, spüren wir täglich, auch wenn wir in verschiedenen Gefängnissen oder unter unterschiedlichen Konditionen eingesperrt sind. Jeder Schritt vorwärts in diesem Kampf, auch wenn es nur Gesten und kleine Solidaritätsaktionen von draußen und von drinnen sind, wird uns die Kraft und Schlagkraft geben, erhobenen Hauptes weiterzukämpfen.“
Tragen wir die Stimme unserer gefangenen Genoss*innen über die Mauern der Gefängnisse!
Ihre Forderungen sind auch unsere Forderungen!
Gegen jeden Knast und das System, das sie hervorruft!
Freiheit für Carmen Badía und alle kämpfenden Gefangenen!

Die 14 Forderungen:

  1. Ein Ende der Folter, Aggressionen und Straffreiheit der Wärter. Zwischen 2004 und 2016 wurden offiziell 961 Fälle von Folter und Misshandlung in den spanischen Knästen gemeldet.
  2. Abschaffung des FIES-Regimes, des spanischen Straf- und Isolationsregimes. Die Isolation besteht aus 22 Stunden/Tag in der Zelle und nur 2 Stunden Hofgang. Es gibt keinen Kontakt zu anderen Personen aus dem Knast, außer zu den Wärtern. Die Isolation kann um Monate oder Jahre verlängert werden. Es gibt Menschen, die mehr als 10 Jahre in Isolationshaft gesteckt wurden.
  3. Freiheit für Carmen Badía und Entlassung aller Gefangenen mit chronischen Krankheiten. Laut dem aktuellen Gesetz, das eine Freilassung genehmigt, muss die Lebenserwartung weniger als 3 Monate sein…
  4. Unabhängige medizinische Versorgung in den Strafanstalten. Das medizinische Personal wurde in der Vergangenheit in zahlreichen Fällen angeklagt, Folter, Misshandlungen und nicht aufgeklärte Tode verdeckt zu haben. Die Gefangenen verdienen die gleiche Gesundheitsversorgung wie die Menschen draußen.
  5. Die „Programme“ mit Methadon und psychiatrischen Medikamenten sollen von Unterstützungsgruppen und unabhängigen Therapeuten begleitet werden.
  6. Personen mit psychischen Krankheiten sollen nicht eingesperrt werden dürfen.
  7. Aufklärung über den Tod von Menschen, die in spanischen Knästen umkamen.
  8. Ende der Zersplitterung. Die Verlegung von Gefangenen in andere Gebiete und die darauffolgende Entfernung von Familienangehörigen und FreundInnen ist eine gängige Praxis. Im Jahr 2016 gab es über 25.000 solcher Verlegungen.
  9. Die Solidarität von Antiknast- und Solidaritätsgruppen darf nicht kriminalisiert werden.
  10. Öffnung der Hörsäle, Betriebe, Fitnesscenter und Zugang zu Bildungs- und Kultureinrichtungen für Gefangene.
  11. Keine weiteren Erpressungen der Gefangenen durch MitarbeiterInnen des Knastsystems, die ihnen vermeintliche Vorteile im Gegenzug zu Unterwerfung und Kollaboration mit der Institution versprechen.
  12. Beendigung der Leibesvisitation von Familienangehörigen und anderen Besuchen, sowie der Röntgenbestrahlung für Gefangene. Die Möglichkeit zur Kommunikation nach draußen ohne irgendeine Begrenzung und bürokratische Bedingungen!
  13. Gegen die lebenslängliche Freiheitsstrafe.
  14. Ende der juristischen Schutzlosigkeit, die Gefangene in den Gefängnissen des spanischen Staates ertragen müssen.

 


Informationen aus:

http://tokata.info
https://desdedentro.noblogs.org/
https://campazgz.wordpress.com/

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