Gefangenenvorstellung: Wer ist Dr. Banu Büyükavcı

Liebe Freunde, Liebe Genossen,

am 15. April 2015 wurde ich mit dem Verdacht Mitglied in einer marxistisch/leninistischen Organisation zu sein, die in Deutschland und Europa weder verboten ist noch auf den Antiterror-Listen aufgelistet ist, festgenommen. Seit dem 16. April 2015 bin ich im Frauengefängnis in München inhaftiert. In Deutschland, wo man behauptet, dass Menschenrechte nicht verletzt werden, bin ich der schwersten Isolation ausgesetzt worden.
Ich bin verurteilt worden so zu leben: 23 Stunden war ich ohne jeglichen Kontakt eingesperrt und ich durfte eine Stunde alleine zum Hofgang.
Wissenschaftliche Forschungen bestätigen, dass die Isolation, wenn sie lange andauert, körperlich und psychisch schwere Schäden hinterlässt; Dass man das Gefühl für das eigene „ICH“ verliert. Mein Ziel ist es nicht zu klagen oder bemitleidet zu werden. Wir sind zwar isoliert worden, haben uns aber keine Sekunde einsam gefühlt. Unsere Genossen, Freunde, Familie, ihr ward nämlich immer bei uns. Wir haben von überall auf der Welt Briefe und Postkarten erhalten. In Europa, Nepal, Brasilien, in der Türkei, überall gab es für uns Proteste, Kundgebungen, Presseerklärungen und Soliveranstaltungen.
Sie haben uns isoliert, aber tausende von Menschen haben uns erreicht. Aus tausenden Kilometer Entfernung sind wir umarmt worden, wurden dadurch mehr und freier.
Wir, die von einer schönen Welt, von Menschlichkeit, Gleichheit, Frieden und Brüderlichkeit träumen und ihr Herz dafür geben, wissen ganz genau, wie wir trotz der Isolation und der Gefängniszellen die schönen Träume, unser Bewusstsein und unsere Gefühle, wach halten können.
Nicht die dutzenden Monate, oder auch jahrelange Isolation können unsere Ideale und unser Bewusstsein brechen, da wir uns vom Widerstand der unterdrückten Völker ernähren. Wir tragen den Widerstand und die Ehre des Sieges.
Ich bin seit 11 Jahren in Deutschland. Nachdem ich 1995 mein Medizin Studium abgeschlossen habe, habe ich in Kars 10 Jahre lang als angestellte Ärztin gearbeitet. Weil ich mich auf Psychosomatik spezialisieren wollte, bin ich nach Deutschland gekommen. Nachdem ich die Prüfungen bestanden habe, wollte ich als Zweitfach noch Psychiatrie studieren. Kurz bevor ich damit fertig geworden bin, bin ich festgenommen worden. Als Schwerpunkt habe ich transkulturelle Psychotherapie und kultursensible Psychotherapie gewählt und in dem Bereich gearbeitet. Meine Patienten sind meistens MigrantInnen aus der Türkei. Weitere Schwerpunkte von mir sind die Themen „Frauen und Gewalt“, die Geschichte der unterdrückten Frauen, psychische Probleme bei MigrantInnen, die Psychologie der Frau, die Frau und Selbstbewusstsein, die Anerkennung der Arbeit im Haus, die Frau und das soziale Leben. In den Bereichen und zu diesen Themen habe ich Seminare abgehalten.
Ich arbeite bei ver.di Nürnberg im Migrationskomitee. Außerdem wurde ich in den Landesmigrationsausschluss für Bayern gewählt. Hier im Gefängnis lernte ich viele Frauen aus verschiedenen Kulturen kennen. Als ein optimistischer Mensch der aus negativen positive Sachen entwickeln kann, sehe ich es als eine Bereicherung an, schätze es sehr und bin glücklich darüber. Manchmal mache ich auch Witze darüber. Nachdem ich im Nordklinikum/Psychiatrie in Nürnberg gearbeitet habe, ist jetzt mein Arbeitsbereich in der JVA München/Frauenanstalt. Nicht dass ich falsch verstanden werde: Ich sehe die Frauen hier nicht als Patienten. Was ich damit sagen möchte ist, dass es hier kulturelle Unterschiede gibt, und ich durch das Zusammenleben mit verschiedenen Frauen von Ihnen lernen und unzählige Erfahrungen sammeln kann.
Die Umstände in Gefängnis sind nicht schlecht. Das Personal ist höflich und hilfsbereit. Bis jetzt gab es keine Probleme. Die Momente, die ich mich hilflos fühle sind die, wenn ich sehe was auf der Welt passiert. Die Kriege, die Toten, die Geflüchteten, die wegen Kriegen flüchten müssen, die Leichen, die im Mittelmeer verbergt werden müssen, besonders der Krieg, der in Kurdistan geführt wird, das Massaker, die wilden Angriffe der IS, die Vergewaltigung der Frauen und wie sie wie Sklaven auf Basaren verkauft werden.
Das imperialistisch kapitalistische System greift die Arbeiterklasse und unterdrückten Völker an. Das was wir hier durchleben ist dasselbe. Ich bin nicht hoffnungslos. Die Menschen leisten Widerstand in diesen schwarzen Tagen. Sie kämpfen. Sie lassen die Ehre von den Toten auferstehen. Unsere Aufgabe ist es daraus zu lernen, aus diesen Angriffen unsere Hoffnungen wieder aufleben zu lassen, mit Solidarität die schönen Tage mit unseren Idealen zu verteidigen. Schulter an Schulter im internationalen Geist.
Liebe Genossen, Freunde, vom ersten Tag an haben wir euch an unsere Seite gespürt. Zusammen haben wir geträumt, zusammen haben wir Parolen gerufen. „Die Mauern können uns nicht trennen, ob drinnen oder draußen, brecht die Mauern!“

Mit Respekt und Liebe, mit den schönsten Gefühlen umarme ich euch und wünsche euch viel Erfolg bei der Arbeit.

Verbleibt mit Hoffnung, Liebe und Widerstand.

Banu