„Für die Gegner des Systems ist das Gefängnis mehr als Gefängnis!“

Soheil Arabi, geboren am 30. Mai 1985, ist Fotograf, Blogger und Facebook-Aktivist. Am 8. August 2012 erstellte er eine Facebookseite, um seine Gedanken über aktuelle politische und soziale Geschehnisse zu posten. Im November 2013 wurden er und seine Frau während der Arbeit in ihrem Fotostudio von der für Internetkriminalität zuständigen Einheit der Religionswächter (Militärsoldaten der „Sepah-e-Sarallah“) verhaftet. Sie wurden in Station 2A des Evin-Gafängnisses gebracht, welches von den „Religionswächtern“ kontrolliert wird. Seine Frau wurde nach einigen Stunden freigelassen, wogegen er für zwei Monate in Isolationshaft gesperrtt wurde.

Soheil Arabi wurde aufgrund von zwei verschieden Vorwürfen angeklagt. Die erste Anklage lautete „Beleidigung des Propheten“, was nach Recht der Islamischen Republik die Todesstrafe bedeutet.
Nach zwei Monaten des Verhörs und der Untersuchungen durch Geheimdienstagenten der Sepah erhielt er eine formale „Gerechtigkeitsbenachrichtigung“ von 13 Zweigen der Staatsanwaltschaft für Kultur und Medien. In dieser Mitteilung wurde ihm vorgeworfen:

1. Propaganda gegen Staat und Regierung, basierend auf Fotos und Bildern von öffentlichen Störungen nach der Wahl 2009 in Teheran und Soheils Aktivitäten in diesen Ausschreitungen. Seine Aktivitäten waren unter anderem das Fotografieren des allgemeinen Vorgehens der Basij, aber auch das Fotografieren zu anderen Themen wie Sucht, Armut, Prostitution und ein sehr wichtiges Thema war die Polizeigewalt gegen Menschen insbesondere durch die Spezialeinheiten „Gasht-e-Ershad“!
2. Beleidigung der Behörden (laut Verteidiger-angaben gibt es dafür keine Beweise, Fotos oder Dokumente und sie stellen Domains als Beleidigung dar)
3. Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik (Ayatollah Khomeini), durch das Teilen einiger Karikaturen.
4. Blasphemie und Beleidigung der Religion (es gibt keine Dokumente und Nachweise für diese Anklage, sie verwenden Artikel im Zusammenhang mit Säkularismus)

Soheil selber erklärt: „Nach Beendigung der Verhöre und Ermittlungen schickten sie mich aus der Einzelhaft in einen öffentlichen Trakt (Trakt 350). Im dritten Monat 2013 begann meine erste Gerichtsverhandlung bei dem Richter Khorasani. Nach richterlicher Anklage und dem früheren Antrag von zwei Richterberatern wurde ich wegen Religionsbeleidigung zum ‚Tod durch hängen‘ verurteilt.“
Weil die Rechtsanwälte glaubten, dass dieses Urteil aufgrund der Beweislage unzulässig war, beantragten sie den Fall beim Berufungsgericht zu überprüfen. Überraschenderweise stellte Richter Raziani mit der Behauptung der „öffentlichen Aufstachelung gegen die Regierung“ ein weiteres Todesurteil aus. Er glaubte, das Soheil Menschen gegen die Religion anstiftete und zu Protesten aufrief.
Soheil erklärt weiter: „Die Richter baten erneut um eine Wiederaufnahme. Mit der Unterstützung der Medien, Menschenrechtsorganisationen und meiner Frau nahmen die Richter ihr Urteil zurück. Aber nochmal, wir sind schockiert über die Sepah. Obwohl es keinen Grund für die Anklagen gab und ich mich der vorgeworfenen Sachen nicht schuldig gemacht hatte, übte die Sepah Druck auf die Gerichte aus und ich wurde zu 22 Jahren Haft verurteilt. Fünf Jahre wäre die eigentliche Maximalstrafe. Durch die Verwendung der Aggregationsregeln wurde das Urteil reduziert auf sechs Jahre und sechs Monate Haftstrafe, zwei Jahre Religionsforschung im Büro von Ayatollah Mesbah-e-Yazdi, 100 Peitschenhiebe und zwei Jahre Ausreiseverbot. Dann verurteilte Richter Salavati mich noch zu drei Jahren Gefängnis wegen Propaganda gegen Staat und Regierung und Beleidigung des Führers! Diese Urteile erhielt ich innerhalb von zwei Tagen! Die Dauer all dieser Gerichtsverfahren betrug nur zwei Tage! Alle meine Rechte wurden durch die Macht der Sepah zerstört! Es gibt drei rechtliche Punkte, welche wir berücksichtigen müssen:

1. Ein Jahr Haft müsste mir in meinem Fall laut Gerichtsbeschluss erlassen werden, stattdessen habe ich ohne Begründung ein weiteres Jahr Haftstrafe erhalten.
2. Hoher finanzieller Schaden! Für Gefangene werden 30 Tausend Toman pro Tag berechnet, allerdings werden bei politischen Gefangenen 100 Mio. Toman pro Jahr berechnet.
3. Ausreiseverbot und Religionsforschung sind gesetzeswidrig.“

Soheil kann seine Familie einmal pro Woche treffen. Ein physisches Treffen (persönlich und von Angesicht zu Angesicht) hingegen einmal pro Monat an einem Ort voller Wachen und Kameras. Er sagt, dass sich seine Gesundheit in einem kritischen Zustand befinde.
„Seit drei Wochen drehen uns die Wärter vier Tage die Woche das Wasser ab. Das Essen ist ungenießbar, voll mit Öl und Fett. Während Diebe und Gauner sich gutes Essen teuer erkaufen können, erhalten Gefangene, welche einen Artikel geschrieben haben oder gegen die Regierung protestiert haben, das schlechteste Essen oder verhungern. Ein großer Teil der reformistischen Gefangenen, die nationalen und religiösen Gefangenen, Aktive der grünen Bewegung oder wer auch immer regierungsnah ist, ist in einer besseren Situation in Evin. Viele der linken Gefangenen (die meisten von ihnen sind Sozialisten aus verschiedenen Strömungen) befinden sich unter schlimmsten Bedingungen. Für die Gegner des Systems ist das Gefängnis mehr als Gefängnis!“
Arabi ist derzeit in Station 350 des Evin-Gefängnisses eingesperrt. Diese Station sei wie ein Isolationstrakt sagt er. „Seit langem haben sie keine neuen Gefangenen hier untergebracht. Wir können auch nicht mit anderen Stationen kommunizieren, es gibt keine Möglichkeit für uns.“
Er hat drei Jahre seiner achtjährigen Strafe hinter sich, während ihm sein Recht auf Knastausgang verwehrt wird.