Endlich – Bernhard ist nach zwei Jahren Haft in Venezuela wieder auf freiem Fuß

Wir freuen uns!

Nach über zwei Jahren Haft in Venezuela ist unser Freund Bernhard Heidbreder am 30. Juli 2016 endlich aus dem Gefängnis, des SEBIN (Servicio Bolivariano de Inteligencia Nacional) in Caracas entlassen worden und ist erst einmal bei Freund*innen untergekommen
Er hat die Auflage Caracas vorerst nicht zu verlassen, da Servicio Administrativo de Identificación Migración y Extranjería, das ist die venezolanische „Ausländerbehörde“, seinen Aufenthaltsstatus prüfen will. Bernhard hat Asyl in Venezuela beantragt. Ein Verfahren gegen Bernhard am 29.10.2014 vor dem Strafgericht in Mérida wegen des Gebrauchs falscher Ausweispapiere, er hatte sich mit Papieren auf dem Namen Jhon Jairo Londoño Smith einbürgern lassen, wurde erfreulicherweise eingestellt. Sein Aufenthaltsstatus und damit seine Zukunft in Freiheit in Venezuela, dem Land seiner Wahl, er begreift sich als Teil der „bolivarischen Revolution“, ist aber weiterhin unsicher.
Die Bundesanwaltschaft (BAW) verdächtigt Bernhard und zwei weitere Menschen, als Mitglieder von „Das K.O.M.I.T.E.E“ vor über 20 Jahren im Oktober 1994 einen erfolgreichen Brandanschlag auf ein Gebäude des Kreiswehrersatzamtes in Bad Freienwalde verübt zu haben und im April 1995 einen Sprengstoffanschlag auf den damaligen Rohbau des Abschiebeknastes in Berlin-Grünau vorbereitet zu haben, der jedoch nicht durchgeführt wurde. Die Begründungen der Aktionen sind noch heute hochaktuell. “Wir haben uns eine Einrichtung der Bundeswehr wegen deren Zusammenarbeit und aktiven Unterstützung der türkischen “Sicherheitskräfte”, auch stellvertretend für die Innen- und Außenpolitik der BRD im Zusammenhang mit dem kurdischen Befreiungskampf, als Ziel gewählt” und „Es geht um die Abschaffung der Abschiebehaft als Schritt auf dem Weg zum generellen Aufenthaltsrecht für alle Flüchtlinge!“ schrieb Das K.O.M.I.T.E.E“ in seiner Erklärung „Knapp daneben ist auch vorbei“ 1995 zur gescheiteren Grünau-Aktion.
Zielfahnder des deutschen Bundeskriminalamts hatten Bernhard im Juli 2014 in der Stadt Mérida in Venezuela entdeckt. Er arbeitet dort in einem chavistischen Basisprojekt. Auf Basis eines internationalen Haftbefehls wurde er von der venezolanischen Polizei festgenommen, bei Interpol festgehalten, um dann nach einem Aufenthalt in einem Gefängnis der Brigada de Acciones Especiales zu SEBIN verlegt zu werden. Die Bundesanwaltschaft (BAW) versuchte sofort seine Auslieferung zu erwirken, aber der venezolanische Oberste Gerichtshof lehnte dies Ende Oktober 2015 ab, da der Bernhard von den deutschen Behörden vorgeworfene Tatkomplex 1995 in Venezuela nicht als „Terrorismus“ gemäß dem deutschen Paragraphen 129a bewertet wurde und zudem Brandstiftung und die Vorbereitung eines Sprengstoffdelikts nach fast 20(!) Jahren verjährt seien. Leider ordnete das Gericht nicht seine Entlassung an, obwohl er damals schon über ein Jahr inhaftiert war. Er sollte an SAIME die „Ausländerbehörde“ überstellt werden, die seinen Aufenthaltsstatus überprüfen sollte.
Dort ist Bernhard jedoch bis zu einer kurzen Anhörung zu seiner (vorläufigen?) Haftentlassung niemals angekommen. Damit rutschte Bernhard Anfang 2015 in eine bürokratischen Grauzone, die aus einem Buch von Kafka stammen könnte: Ein Gericht, das seine eigenen Fristen ignoriert. Eine Behörden die gerichtliche Anordnungen nicht beachtet. Die Einschaltung hochrangiger Behördenvertreter*innen, Politiker*innen und selbst des Menschenrechtsausschusses des venezolanischen Parlaments hatten zwei Jahre wenig bis nichts bewirkt.
Der deutsche und internationale Haftbefehl gegen Bernhard und die beiden anderen flüchtigen Beschuldigten besteht natürlich weiterhin fort.
Mittlerweile haben die AnwältInnen der als angebliche Mitglieder des K.O.M.I.T.E.E. Gesuchten Beschwerde gegen die Haftbefehle beim Bundesgerichtshof eingelegt. Da alle konkreten Tatvorwürfe im Fall K.O.M.I.T.E.E. inzwischen verjährt sind, bleibt der Bundesanwaltschaft nur noch die „Verabredung zu einem Verbrechen“ gem. § 30 StGB für ihre Ermittlungen. Diese Vorschrift verletzt das Schuld- und Rechtsstaatsprinzip und ist deshalb verfassungswidrig. Die Strafandrohung und die daraus folgende 40-jährige absolute Verjährungszeit stehen außer Verhältnis zur Schuld. Es ist absurd, dass die Verabredung zu einer Tat, auch wenn sie dann gar nicht stattfindet, härter bestraft und länger verfolgt werden kann als die darauf folgende konkrete Vorbereitung dieser Tat. Sollte das Bundesverfassungsgericht oder der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dieser Argumentation folgen, wäre das Ermittlungsverfahren endgültig einstellungsreif.
Am 24.02.2016 war eine Person aus dem ehemaligen sozialen Umfeld eines der Beschuldigten im K.O.M.I.T.E.E.-Verfahren zur zeugenschaftlichen Aussage beim Berliner Landeskriminalamt vorgeladen worden. Da sie die Aussage verweigerte, wurde vom Vertreter der Bundesanwaltschaft ein Ordnungsgeld in Höhe von 250 € verhängt, bei dessen Nichtzahlung eine Woche Ordnungshaft anfalle. Durch die Anwältin wurde dagegen Beschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt und ein Recht auf Aussageverweigerung gemäß § 55 StPO (Gefahr der Selbstbelastung) geltend gemacht. Weiter wurde beantragt, die offensichtliche Verjährung der meisten Tatvorwürfe festzustellen und Akteneinsicht in das gesamte Verfahren zu gewähren. Zudem solle das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit des einzigen verbleibenden Tatvorwurfs, § 30 StGB, „Verabredung zu einem Verbrechen“. Der Bundesgerichtshof hat jedoch am 13.05.2016 das Vorhaben der Bundesanwaltschaft abgenickt. Bezüglich der Ordnungshaft, die zu verhängen sei, falls die 250 € nicht bezahlt werden, hat der BGH diese Androhung zwar aufgehoben, da nur ein Gericht dies anordnen könne und nicht etwa die Staatsanwaltschaft.
Gleich danach erhielt die Betroffene erneut Post von der Bundesanwaltschaft. Eine erneute Vernehmung soll am 09.08.2016 in Karlsruhe am Sitz des Generalbundesanwalts stattfinden. Eine Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten könnte unmittelbar im Anschluss daran drohen.

Wir werden weiterhin für die Freiheit unserer Freund*innen hier und in Venezuela kämpfen müssen! An die Flüchtigen gehen unsere wärmsten Grüße!