Die Zusammenarbeit westlicher Staaten mit der Türkei bei der Strafverfolgung türkischer und kurdischer Linker im Exil

Die Zusammenarbeit zwischen den EU-Staaten, allen voran Deutschland, und der Türkei bei der Verfolgung linker türkischer und kurdischer Gruppen, die im Ausland aktiv sind, war schon immer von der außenpolitischen Interessenlage geprägt. So wurden und werden zwar die meisten Auslieferungsanträge der Türkei bezüglich angeblicher Mitgliedschaft in der PKK  (Arbeiterpartei Kurdistans) in den meisten Fällen abgelehnt, vor allem Belgien scheint eine klare Schiene der Nicht-Auslieferung von in der Türkei als Terroristen verfolgter Aktivisten zu fahren. Dies führt auch immer wieder zu Beschwerden der türkischen Regierung, die der EU in der Vergangenheit schon des Öfteren mangelhafte Unterstützung bei der Verfolgung von Terroristen vorgeworfen hat. Allerdings werden in Deutschland immer wieder und in letzter Zeit verstärkt und in großer Zahl Menschen wegen angeblicher PKK-Mitgliedschaft bzw. Unterstützung vor Gericht gestellt. So hat auch der 2002 eingeführte Gesinnungsparagraph 129b bisher hauptsächlich zur Verfolgung in der BRD aktiver türkischer und kurdischer Gruppen gedient, kaum zur Verfolgung islamistischer Gruppierungen.
Derzeit läuft in mehreren Bundesländern ein Prozess gegen zehn Aktivisten, denen vorgeworfen wird der PKK anzugehören.
Auch die im April letzten Jahres erfolgte Verhaftung von mehreren Mitglieder der Migrant-*innenorganisation ATIK (Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa) zeigt, dass die EU bei der Verfolgung oppositioneller Gruppen zu einem Entgegenkommen gegenüber der Türkei bereit ist, vermutlich verknüpft mit der Hoffnung sich der türkischen Unterstützung bei dem so genannten Flüchtlingsabkommen zu versichern.
Seit 2006 wird vom BKA gegen ATIK ermittelt, doch erst neun Jahre später werden zehn Menschen unter dem Vorwurf der angeblichen Mitgliedschaft in der TKP/ML (Kommunistische Partei der Türkei/Marxitisch-Leninistisch) verhaftet. Hierbei sollte erwähnt werden, das sich die TKP/ML, anders als die PKK, auf keiner der vielen Terrorlisten befindet und in Deutschland auch nicht als verbotene Organisation geführt wird, sondern lediglich in der Türkei als terroristische Vereinigung gilt. Die strafrechtliche Verfolgung nach §129b war nur durch eine Verfolgungsermächtigung möglich, die vom Bundesjustizministerium (BMJV) erteilt worden ist. Laut Gesetzestext muss das BMJV bei der Erteilung einer solchen die außenpolitischen Interessen Deutschlands berücksichtigen, was ja getan wurde, denn ein gutes Verhältnis zur Türkei ist momentan sicherlich im Interesse Deutschlands. Des Weiteren soll geprüft werden, ob die Organisation, die in Deutschland strafrechtlich verfolgt werden soll, sich gegen einen Staat richtet, der die Würde des Menschen achtet. Ob dies wirklich sorgfältig geprüft wurde, daran lässt sich zweifeln. So haben kritischen Journalisten, die dafür zu mehreren Jahren Haft verurteilt worden sind, nachgewiesen, dass der türkische Geheimdienst und andere Behörden schon seit mehreren Jahren den IS durch Waffenlieferungen und die Behandlung verletzter IS-Kämpfer unterstützt, sowie Angriffe seitens des IS auf kurdische Gebiete in Syrien von türkischem Staatsgebiet aus duldet. Zieht man jetzt noch die verstärkten Angriffe des türkischen Militärs und der Polizei auf kurdische Siedlungen und Städte, welche zu einer großen Anzahl von Opfern in der Zivilbevölkerung geführt haben und das Vorgehen gegen kritische Journalisten und Strafverteidiger in Betracht, so kann man nur schwerlich behaupten, dass die Türkei ein Staat sei, der die Würde des Menschen achtet.
Dies lässt darauf schließen, dass es sich bei den meisten in Deutschland geführten Verfahren um politisch gewollte Verfahren handelt. Daran wird voraussichtlich auch die ständige Forderung nach einer Änderung der türkischen Anti-Terror-Gesetze, unter die im Übrigen auch gewaltfreie oder rein propagandistische Taten fallen, nichts ändern. Denn solange die EU und Deutschland auf die Türkei als Abnehmer ihrer Rüstungsexporte, als NATO-Bündnispartner und als Helfer bei der Bewältigung der so genannten Flüchtlingskrise angewiesen sind, solange werden auch progressive linke Kräfte auf Geheiß der türkischen Führung verfolgt und vor Gericht gestellt, selbst wenn ihnen keinerlei Beteiligung an irgendwelchen Gewalttaten oder Anschlägen nachgewiesen werden können.