Beiträge zu RAF und Politisierung – Text von Tanja

Tanja, 30 Jahre, Zürich

Meine Politisierung begann als ich etwa 15 Jahre alt war. Ich bin in einer Familie mit linkem Bewusstsein aufgewachsen: meine Mutter ist Spanierin, meine Großeltern erlebten dort den Faschismus und kamen in die Schweiz, um in der Fabrik zu arbeiten. Antifaschismus war recht selbstverständlich für mich. In den 00er Jahren gab es an den Mittelschulen in Zürich einige linke Gruppierungen und die Bewegungen gegen die Globalisierung und den Irakkrieg waren ziemlich groß. Ich hörte zu der Zeit Punk und fühlte mich generell zu kommunistischen Ideen hingezogen. Ich empfand vieles auf der Welt als ungerecht, sah die soziale Ungleichheiten, die auch in der Schweiz herrschen, und fing an, mich mit anderen Systemen als dem Kapitalismus auseinander zu setzen.
Durch meinen spanischen Hintergrund und die dortige Präsenz der ETA waren mir militante Untergrundgruppierungen nicht nur negativ behaftet. Zuhause diskutierten wir deren Aktionen und es herrschte ein einigermaßen differenziertes Bild ihrer Politik. Beispielsweise wurde die Autobomben-Aktion auf Carrero Blanco recht gefeiert. Spätere Aktionen, die der ETA zugeschrieben wurden, wurden dann stärker kritisiert. Ausgehend von dieser ersten Auseinandersetzung war es dann kein allzu weiter Weg, bis ich mich für andere bewaffnete Gruppen in Europa zu interessieren begann. Vor allem die RAF und die Brigate Rosse faszinierten mich. Ich fand ihren Kampf und ihre Aktionen konsequent und richtig. An den Brigaden gefiel mir vor allem, dass sie eine so große breite Unterstützung in der Arbeiterschaft hatten.
Die RAF hatte mit Ulrike Meinhof und ihren Texten für mich als Frau eine spezielle Bedeutung. Ich sah und hatte bestätigt, dass Frauen genauso stark sind wie Männer. Und es war ja nicht nur Ulrike Meinhof, sondern es gab so viele Frauen in den bewaffneten Gruppen. Ich fand und finde es immer noch sehr konsequent, dass die Leute der RAF sich dazu entschlossen hatten, den Kampf in den europäischen Städten mit der Waffe in der Hand zu führen. Die Verhältnisse in Deutschland waren sicherlich noch vom Faschismus geprägt und die Repression gegen linke Bewegungen groß. Dass die RAF sich dem entgegen gesetzt hat und den Feind herausgefordert hat, sehe ich als eine Starke Stütze für die linke Geschichte. Auch wenn ein kritischer Blick auf einzelne Aktionen und Entscheidungen geworfen werden kann, finde ich ihre positive Bedeutung für ein starkes, kämpferisches linkes Bewusstsein immens. Ich meine, ihre Knastbefreiungsaktionen waren großartig, vor allem für eine 15-jährige.
Mich persönlich hat der Gedanke an die Repression, die den Mitgliedern der RAF in den Knästen widerfahren ist, eher wütend gemacht als abgeschreckt. Ich empfand ein Gefühl der Solidarität und von Stärke, wenn ich an solche linke Bewegungen und Gruppierungen dachte. In Zürich habe ich mich dann organisiert und konnte persönlich erleben, wie spannend gelebte Politik und gegenseitige Unterstützung sein kann. Auch wenn die Verhältnisse andere sind und der Grad der Konfrontation sich anders gestaltet, glaube ich, dass die RAF mir die Bedeutung der Militanz näher gebracht hat. Der Umgang mit Furcht und Repression ist etwas, was mich beeindruckte.