Ausblick oder: was ist heute noch an Ulrike Meinhof aktuell

Wichtig ist für uns, Ulrike als kämpferische Linke zu begreifen, die keinen „Selbstmord“ begangen hat und die RAF nicht als „Terrorgruppe“ darzustellen.

Bekannt und deutlich geworden ist, dass Ulrike selbst ihr ganzes Leben gegen die herrschenden Verhältnisse gekämpft hat. Sei es die Ausbeutung und die Kriege im Trikont, im Inneren die Gewalt und die Unterdrückung auf den Straßen, die Verschärfung in den Heimen und den Knästen – gegen all das hat sich Ulrike gewehrt. All diese Bedingungen haben sich nicht verbessert, sondern in den letzten 40 Jahren eher noch verschärft und warten auf revolutionäre Veränderungen!

Gegen die Aufrüstung +Kriegseinsätze der BRD

Heute ist die Lage in der BRD dadurch gekennzeichnet, dass dieser Staat die stärkste europäische Macht und auch federführend bei der Konterrevolution in Europa ist. Innenpolitisch macht sich das fest an weiteren Verschärfungen und Einschnitten im sozialen Bereich (Agenda 2010). Diese haben auch Vorbildcharakter für andere europäische Staaten und sollen im Rahmen von „Europa 2020“ flächendeckend eingeführt werden. Außenpolitisch übernimmt die Regierung immer öfters führende Rollen bei Kriegseinsätzen. Gegenwärtig sind deutsche Soldaten an 16 Kriegen und militärischen Missionen beteiligt.

Frage an uns alle: Wie ist dagegen Widerstand zu entwickeln?

Nicht nur Proteste, sondern wie kann von hier aus die Konterrevolution gestoppt werden?

Ausbeutung und die Kriege im Trikont

Eine Arbeitskraft des „Südens“ erhält nur 1/15 von dem, was eine Arbeitskraft in den reichen Staaten des Nordens erhält. Alle 4 Sekunden stirbt ein Kind. Die Lebensbedingungen haben sich dort insgesamt verschlechtert, wichtig ist daher, dass von hier aus „im Herzen der Bestie“ gegen die Verantwortlichen dieses Elends, Hunger, Ausbeutung und Völkermord der Widerstand intensiviert wird.

Isolationsfolter

Isolationsfolter wurde hier in den sechziger Jahren in Hamburg an der
Universitätsklinik erforscht und systematisch ab 1970 gegen die Gefangenen aus
der RAF, der „Bewegung 2. Juni“ und später auch gegen Gefangene aus dem
anti-imperialistischen Widerstand angewandt.

Die Inhaftierten kämpften in zehn kollektiven Hungerstreiks gegen die rigiden Bedingungen.

Wir konnten trotz unseres vielfältigen Widerstandes wie Flugblätter,Veranstaltungen und militante Aktionen z. B. weder die Isolation stoppen, noch verhindern, dass neun Gefangene aus diesen Zusammenhängen den Knast nicht überlebten.

So wird deshalb die Isolation „Made in Stammheim“ auch weiterhin gegen Gefangene hier eingesetzt. Die Maßnahmen bekommen vor allem die türkischen und kurdischen Gefangenen, die mit Hilfe des §129b inhaftiert sind, und die rebellischen Eingesperrten zu spüren. Die Isolationsfolter wird von der BRD in andere Länder exportiert, wie z. B. in die Türkei.

Wie ist also die Isolation in den Knästen zu stoppen?

Die sogenannten Terrorgesetze sind weiter in Kraft

Merkel erwähnte auf Schmidts Beerdigung am 23.11.2015 seinen Kampf gegen die RAF und zog eine Parallele zu den terroristischen Attacken in Paris. Obwohl diese überhaupt nichts mit der Politik der RAF zu tun hat, denn sie verstand sich als kommunistische politisch-militärische Befreiungsbewegung im internationalen Kontext. Merkel: „Man muss zeigen, dass man verstanden hat, was es bedeutet,Verantwortung zu übernehmen“.

Was der damalige Bundeskanzler Schmidt vor 40 Jahren praktizierte – wie Polizeistaatmethoden, Berufsverbote, Isolationshaft und Killfahndung -, ist Vorbild für die heutige herrschende Klasse Großdeutschlands – weitere Unterdrückung im Inneren, um so ungestört Kriege führen zu können.

Damals gab es dagegen Widerstand und heute wird und muss es auch Widerstand dagegen geben, damit hier die imperialistischen Projekte in den Zentralen behindert und gestoppt werden und wir wieder zu einem starken und wahrnehmen Faktor werden, um die Befreiung mit dem Ziel Kommunismus erreichen zu können.

Weg mit §§129ff

Unsere eigene Isolation und Vereinzelung hat sich potenziert.

Gegen die zunehmende Vereinsamung anzugehen, ist heute aktueller denn je, da alle Menschen davon betroffen sind, natürlich auch die radikale Linke. Neue Technologien wie hunderte TV-Programme und Internet verstärken diesen Isolationsprozess zunehmend. Das Problem sind dabei nicht die neuen Medien, sondern dass sie überwiegend nur vereinzelt genutzt bzw. konsumiert werden. Auch die Existenzsicherung durch Ausbildung und Arbeit wird immer schwieriger. Sie wird immer mehr individualisiert und atomisiert durch die herrschende Klasse. Dieser Prozess der Vereinzelung und der Allmacht des Systems, beeinflusst auch negativ unsere politische Praxis: Wir werden immer unattraktiver, eingefahrener, abstrakter, verlieren dabei den Glauben, dass wir was erreichen und Siegen können! Wir schrecken folglich eher Außenstehende ab und verlieren damit die gesellschaftliche Anziehungskraft, statt unsere fremdbestimmte Situation zum Ausgangspunkt unseres Agierens zu machen.

Ulrike sagte dazu 1976:

„die vereinzelung ist bedingung von isolation“

Wie wir alle von diesem System deformiert werden, zeigte sie damals schon
genau auf:

„aber das sind wir, da kommen wir her: die brut aus den vernichtungs- und zerstörungsprozessen der metropolengesellschaft, aus dem krieg aller gegen alle, der konkurrenz jeder gegen jeden, des systems, in dem das gesetz der angst, des leistungsdrucks herrscht, des einer-auf-die-kosten-des-andern, ..:“
(aus der Rede von Ulrike am 13. 9. 74 vor Gericht in Berlin wegen der Befreiung von Andreas Baader)

Einen Weg, wie wir alle diese Entfremdung überwinden können:

„bis wir die not jedes einzelnen von uns als notwendigkeit der befreiung vom imperialismus, als notwendigkeit zum anti-imperialistischen kampf begriffen haben und begriffen, daß wir mit der vernichtung dieses systems nichts zu verlieren haben“     (Ulrike, ebenda)

Wie kann es vor allem auch praktisch weiter gehen?

Generell gibt für den Kampf um Befreiung kein Patentrezept und es bedarf einer Anstrengung aller, eine Lösung zu finden.

Ein möglicher Schritt dahin wäre, nicht nur Ulrikes historische, sondern auch ihre heutige Bedeutung zu thematisieren. Konkreter: haben ihre damaligen Überlegungen und Auseinandersetzungen für heute noch eine Relevanz?

Eine gute Initiative in die richtige Richtung waren die Reaktionen auf die öffentliche Fahndung nach den 3 GenossInnen, die seit über 25 Jahren wegen Aktionen der RAF gesucht werden.

Die Herrschenden wollen Burkhard Garweg, Daniela Klette und Volker Staub festnehmen und damit uns allen signalisieren „Wir kriegen Euch alle, Widerstand gegen diesen Überwachungsstaat ist sinnlos“.

Die Solidaritäts-Erklärungen zu den 3 Illegalen wie z. B. von den BewohnerInnen aus der Hafenstraße zeigen aber, dass die 3 nicht vergessen wurden und die Ziele der RAF nach Befreiung von Unterdrückung noch akut sind.

Wir haben versucht, die Gründe, gegen die Ulrike mit Anderen kämpfte, darzustellen.

Es liegt an uns allen, die damaligen Erfahrungen und Auseinandersetzungen zu reflektieren, die heutigen Zustände nicht widerstandslos hinnehmen, und damit Kämpfe für Befreiung weiter führen – bis zur Überwindung der herrschenden Zustände.

Machen wir uns keine Illusionen, der Weg dahin wird sehr lang und sehr hart sein!

„was die herrschende klasse an uns hasst, ist, dass die revolution trotz hundert jahre repression, faschismus, antikommunismus, imperialistischer kriege, völkermord wieder ihren kopf erhebt“ (Ulrike, ebenda)

Revolutionäre Geschichte aneignen und verteidigen!
Ulrike lebt!

Anmerkung: Dieser überarbeitete Beitrag wurde auch am 9. Mai anlässlich der Veranstaltungen zu Ulrike in Hamburg sowie in Frankfurt, Wuppertal und Magdeburg vorgetragen.