Kampagnenbilanz des langen Marsches für die Freiheit von Musa Aşoğlu

[Freiheitskomitee für Musa Aşoğlu]

Nachdem Musa Asoglu am 02. Dezember 2016 in Hamburg verhaftet wurde, haben wir uns entschlossen, ein Freiheits-Komitee zu bilden, um für seine Freiheit zu kämpfen. Gleichzeitig wollten wir auch für alle Genossinnen und Genossen, die in den Knäste der BRD inhaftiert sind, ein Sprachrohr sein.
Als Komitee fanden wir es wichtig, einen „Langen Marsch“ zu organisieren, um die Öffentlichkeit über Musa Asoglu zu informieren und vor allem dem Repressionsstaat BRD zu zeigen, dass sie uns nicht mundtot kriegen. Wir wollten mit unserer Kampagne in die Offensive kommen und unter dem Motto, „dass Revolutionär sein kein Verbrechen, sondern eine Pflicht ist“. Besonders in der heutigen Zeit versucht der Imperialismus jegliche Kritik an seiner Herrschaft als Terrorismus zu diffamieren und zu kriminalisieren, deshalb war für uns unverzichtbar, auf die Straße zu gehen, um direkt die Bevölkerung zu informieren.

Hamburg
Nach einer sehr kurzen Planungsphase haben wir am Silvester-Abend mit einer Knastkundgebung vor der Untersuchungshaft Hamburg, wo Musa inhaftiert ist, begonnen. Über 100 Personen haben an dieser Kundgebung teilgenommen. Es gab neben Beiträgen, live Musik und es wurden lautstark Parolen für die Freiheit aller politischen Gefangenen skandiert.
Am kalten 01. Januar 2017 begann unser „Langer Marsch“ in Hamburg. Bis zum 09. Januar haben wir dort viele hunderte Flugblätter verteilt, sämtliche Bezirke mit Plakaten und Stickern beklebt und insgesamt 60 Wände mit Parolen verschönert. Später fand auch eine Veranstaltung statt.

Berlin
Am 09. Januar war unsere nächste Station Berlin. Dort haben wir viele Kundgebungen abgehalten, je zweimal vor dem Bundestag und dem Bundesjustizministerium. Weiterhin waren wir am Alexanderplatz, Checkpoint Charlie, Brandenburger Tor und vor der Botschaft der USA, vor den Parteizentralen der CDU, SPD und der Grünen.
Die Mitglieder der Parteizentrale der SPD im Willy-Brandt-Haus waren wieder einmal zu feige, um mit uns zu sprechen. Daraufhin riefen wir lauthals: , „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!“
Im Konrad–Adenauer -Haus der CDU war das Vorstands-Mitglied Herr De Meer bereit, unser Dossier über Musa Asoglu entgegen zu nehmen. Er meinte ernsthaft, dass es nun die Sache des Gerichts sei, zu urteilen, ob Musa schuldig oder unschuldig ist.
Er unterschlug dabei vor allem die Funktion des § 129b, dass der Faschismus in der Türkei dank der EU und vor allem der Bundesregierung fortschreitet, dass kurdische Gebiete in der Türkei bombardiert werden, Journalisten und Oppositionelle verhaftet, Medien verboten und in den Gefängnissen gefoltert wird.
Im Kreuzberg haben wir gemeinsam mit anderen deutschen Linken eine Kundgebung mit 60 Personen organisiert.
Da in dieser Woche in Berlin die Rosa- Luxemburg-Konferenz stattfand, betei-ligten wir uns mit einem Informationsstand für Musa Asoglu. Einen Tag später haben wir mit 70 Personen an der traditionelle LL Demo teilgenommen.

Süddeutschland
Von Berlin aus ging es nach Nürnberg, wo auch eine Veranstaltung stattfand, Regensburg, Augsburg, München, und nach Stuttgart. In Stuttgart und der Umgebung haben wir viele Aktionen durchgeführt, eins davon war, dass wir vor Stammheim eine Kundgebung abgehalten haben. Neben kurdischen Gefangenen saßen in dieser Zeit Yusuf Tas und Özgür Aslan in Stammheim.
Yusuf Tas konnte uns sehr gut hören und sehen. Er erwiderte unsere Parolen und sprach mit uns als ob er neben uns wäre, er bat uns, seine vollste Solidarität mit Musa Asoglu ihm zu übermitteln. In Stuttgart haben wir ein einstündiges Radio-Programm live absolviert zum Thema „Langer Marsch“, 129a/b und die Inhaftierung von Musa Asoglu. Das Radio-Program wurde eine Woche später noch einmal gesendet. Von Stuttgart fuhren wir nach Straßburg.

Frankreich
In Straßburg haben wir 3 Tage lang vor dem Europa-Rat ein Widerstands-Zelt in eisigen Minusgraden aufgestellt. Dank einem Abgeordneten der Partei „Die Linke“, sind zwei von uns als Gäste in den Europa-Rat eingeladen worden. Zufällig war an diesem Tag eine große Delegation aus der Türkei, mit Vertretern aller Parteien des Parlaments anwesend. Somit haben wir uns erst recht viel Mühe gegeben, im Europarat Flugblätter zu Musa Asoglu zu verteilen.
Die „Schwarzen Listen“ (Terrorlisten) der EU sind von den US-Amerikanern diktiert worden und deshalb wird Musa Asoglu beschuldigt, Mitglied in der DHKP-C zu sein.
Die Abgeordneten aus der Türkei waren ziemlich sauer, als wir vor ihnen unsere Flugblätter auf deren Tischen abstellten. Zusätzlich haben wir unsere Dossiers an verschiedene Institutionen im Rat abgegeben.

Grenzkontrollen in der Schweiz
Von Straßburg ging es nach Basel. An der Grenze wurden wir von der Grenzpolizei aufgehalten und unser Kleinbus äußerst genau durchsucht, weil die Beamten unser Material zu Musa entdeckt haben. Deshalb mussten wir 2 Stunden warten, bis der Inlands-Geheimdienst die Weiterfahrt genehmigte.
Erste Station war Basel, danach Zürich und Luzern. In Luzern haben wir an einer türkischen Hochzeit teilgenommen und viele Unterschriften gesammelt. Auf der Bühne hielten wir eine kleine Rede.

Repression in Nordrhein-Westfalen
Am 30. Tag unserem „Langen Marsches“ sind wir in Köln angekommen. Dort wollten wir auf der Domplatte unsere Flugblätter verteilen. Angekündigt hatten wir das über Facebook. Kaum waren wir auf dem Domplatz, hat uns die Polizei umzingelt. Grund dafür wäre, dass wir keine Genehmigung für diese Aktion hätten.
Auf unsere energische Einwände, seit wann man für Flugblätter-Verteilung eine Genehmigung benötige, wurden uns weiterhin unsere Aktion untersagt. Da wir das nicht akzeptierten und weiter unsere Flugblätter verteilen wollten, hat die Polizei uns die Materialien aus der Hand gerissen und beschlagnahmt. Später wurden auch noch unsere Personalien registriert.
Das geschah am 30.01.2017 und schon am 03.03.2017 haben 3 von uns Post von der Polizei bekommen. Im Brief stand „Ermittlungssache gegen Sie“ und wir wurden zu einem Termin vorgeladen. Selbstverständlich ist keiner von uns dort hingegangen. Mal schauen, was da noch kommen wird.
Nach dem Vorfall am Kölner Domplatz wurde am nächsten Tag wieder versucht, willkürlich unseren Infotisch in Köln-Ehrenfeld zu unterbinden, da angeblich auf den Flugblättern keine laut Presserecht notwendige Adresse angegeben ist. Obwohl wir auf den Flugblättern als Adresse den Kölner Verein per Stempel anbrachten, wollte uns die Polizei das Verteilen untersagen und meinte, es müsste eine natürliche Person angegeben sein. Wir gaben zu verstehen, dass wir das für gesetzeswidrig halten und wir auf unserem Recht bestehen. Wir sagten auch, dass wir keinen Zentimeter zurückweichen, egal was sie veranlassen werden.
Zweı Personen des Staatsschutzes, ein deutscher und ein türkischer Mann, die uns dort permanent observierten, haben die uniformierten Polizisten dazu aufgefordert, das Verteilen zu untersagen.
Wir waren 20 Personen und haben dann angefangen gegen diese Einschränkung lautstark zu protestieren. Zwei uns unbekannte deutsche Passanten, die das Geschehen verfolgten, positionierten sich gegenüber der Polizei und kritisierten sie auch lauthals. Schließlich intervenierte noch ein Anwalt, der sein Büro in der Nähe hat, so dass die Polizei sich zurückzog.
Am selben Abend hatten wir in Köln – Mülheim, auf der Keupstraße, wo die NSU ihren Nagelbombenanschlag verübte, noch einen Infotisch. Hier war die Polizei zurückhaltend und hat nichts unternommen und uns in Ruhe gelassen.
Im Ruhrgebiet haben wir in den Städten Essen, Wuppertal, Duisburg, Dortmund, Oberhausen, Hamm und Herne Infotische aufgestellt und viele Institutionen besucht, wie das Fernsehen des WDR, Parteien sowie demokratische Vereine. In Düsseldorf haben wir zuerst vor dem US-Konsulat protestiert und danach sind wir zum Landtag gezogen und haben eine Kundgebung veranstaltet. Vor dem Verfassungsschutz NRW haben wir uns ebenfalls versammelt.
Wir haben in Düsseldorf den §129b-Prozess gegen Latife Adigüzel besucht, die inzwischen zu einer Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt  worden ist.
Als die Verteidigung ihr Plädoyer vortrug, haben wir , insgesamt waren 70 Personen anwesend, applaudiert. Als der Richter der Klassenjustiz uns ermahnte, hatte danach Latife das letzte Wort. Während sie sprach, musste ein Zuhörer vom Langen Marsch leise schmunzeln. Das hat der Richter dann gesehen. Er unterbrach die Rede von Latife und holte sich den Zuhörer ans Pult. Der Richter veranlasste den Zuhörer, bis Ende der Sitzung in U-Haft zu nehmen. Der Zuhörer sagte, dass er nichts gemacht hat und das sein Lächeln nicht störend war. Die Verteidiger von Latife haben dagegen Einspruch erhoben.
Als dann ein Tumult ausbrach, wurden dem Betroffenen Handschellen angelegt. Darauf haben die anderen Personen des Langen Marsches sich erhoben und Parolen gerufen. Der Richter befahl den Gerichtsbeamten, den Saal zu räumen und 2 Teilnehmer von Langem Marsch in Gewahrsam zu nehmen.
Nach einer halben Stunde wurde die Sitzung weitergeführt. Der Richter ließ den „Schmunzler“ wieder frei. Die anderen zwei wurden zu einer 3-tägigen Ordnungsstrafe verurteilt und wurden von der Polizei direkt in die JVA verfrachtet.
Die Restlichen des Langen Marschs sind dann zum Knast gefahren und haben Parolen für die 2 gerufen.
Als der Lange Marsch in Dortmund war, hatte am selben Tag auch die DKP einen Infotisch im Stadtteil Dorstfeld, der bekannt für die starke Präsenz der Nazis und die „Partei der Rechte“ ist. Dort leben fast 80 Nazis und betreiben auch ihr Vereinslokal. Die AnwohnerInnen in Dorstfeld werden seit langem eingeschüchtert und haben sich dran gewöhnt, dass die Faschisten auf den Straßen ihr Territorium aufgebaut haben. Viele Antifaschisten und Autonome wagen deshalb nicht, sich in diesem Viertel aufzuhalten. Vor zwei Monaten wurde dort ein Infotisch der DKP von Nazis mit Pfeffergas angegriffen. Deshalb wollten wir uns mit der DKP solidarisieren und ihren Stand besuchen. Kaum waren wir da, haben schon die Nazis über soziale Medien darüber berichtet, dass Kommunisten auf deren Straßen sind und die DKP „kurdische Standsecurity“ bei sich haben. Darauf sind circa 15 Nazis eingetroffen. Obwohl ein Mannschaftswagen mit zwei Polizisten präsent war, blieben sie in ihrem Auto und spielten mit ihrem Handy.
Zwei Nazis haben sich getraut, zum Infotisch der DKP zu gehen und sagten „Scheiß Kommunisten, ihr habt 50 Millionen Menschen umgebracht“ und spuckten dabei auf die Materialien. Darauf haben wir den zwei Nazis ein paar Ohrfeigen gegeben, damit die wissen, mit wem sie es zu tun haben. Daraufhin ist die Polizei aus ihrem Auto ausgestiegen und hat die Nazis geschützt. Wie üblich kamen dann mehrere Polizeiautos und haben unsere Personalien aufgenommen.
Weitere Stationen waren noch Münster und Bielefeld.

Belgien und Niederlande
Von da aus ging es nach Rotterdam, Amsterdam, Den Haag, Liege, Antwerpen, Gent, Brüssel.
In Brüssel wollten wir vor dem europäischen Parlament eine Kundgebung machen. Monate vorher wurde dies beantragt und genehmigt worden. An diesem Tag hat die Polizei die Anmelderin 30 Minuten vor Beginn angerufen, und mitgeteilt, dass die Kundgebung verboten sei. Wir betonten, dass wir das Verbot nicht akzeptieren würden.
Wir ließen uns davon nicht abhalten, haben auf der Kundgebung unseren Transparent ausgerollt und Parolen gerufen. Fast 50 Polizisten sind daraufhin äußerst hart uns gegenüber vorgegangen und haben uns innerhalb von zwei Minuten ohne Vorwahrung festgenommen. Wir saßen für eine Stunde mit Plastikhandschellen gefesselt auf der Straße. Das Transparent von Musa Asoglu wurde beschlagnahmt.
In mehreren Städte waren wir nicht nur den Repressalien der Polizei ausgesetzt. Auch türkische Faschisten und AKP Anhängern versuchten uns zu provozieren und anzugreifen. Lautstark bekundeten sie ihre JA- Stimme zu dem Referendum in der Türkei. Einige haben sogar vor den Augen der Polizei unsere Flugblätter demonstrativ zerrissen.
In Den Haag haben zwei MHP-Anhänger uns gedroht, dass sie uns gleich mit ihrem gesamten Verein angreifen würden. Sie kamen aber auch zwei Stunden nicht.
Auf dem Rotterdamer Wochenmarkt hatten die AKP- Anhänger gleichzeitig mit uns einen Infotisch gehabt. Sie versuchten erfolglos die Bevölkerung gegen uns aufzuhetzen.

Wo noch
Weitere Städte, die wir angereist haben waren Hannover, Bremen, wo auch eine Veranstaltung stattfand. Ebenso waren in Magdeburg, Leipzig, Lübeck, Darmstadt, Mainz, Frankfurt, Mannheim, Ludwigshafen, Worms, und Wetzlar.

Noch mal in Hamburg und Berlin
Am 12. März waren wir in Hamburg an einer Demonstration mit einem internationalistischen Bündnis beteiligt, an dem 70 Menschen teilnahmen.
Am 17. März haben wir in Berlin unsere gesammelte Unterschriften abgegeben und an den Aktivitäten rund um dem 18. März, Tag der politischen Gefangenen, teilgenommen.

Resümee
Der Lange Marsch hat 75 Tage gedauert.
Über 23.000 Flugblätter wurden verteilt.
5000 Plakate wurden aufgehängt.
2000 Sticker geklebt

Zwei Radiointerviews
http://www.radioflora.de/contao/index.php/Beitrag/items/zur-festnahme-von-musa-asoglu-wegen-129b-in-hamburg.html
http://www.freie-radios.net/82367