Die Haftbedingungen und die Repressalien gegen die §129b-Gefangenen

| Gülaferit

20. Januar 2017

Die Haftbedingungen der §129b-Gefangenen werden durch die Bundesanwaltschaft festgelegt. Bei diesen Bedingungen können je nach Situation der Gefangenen einige Unterschiede auftreten. Zudem verfügen die Gefängnisse je nachdem, in welchem Bundesland sie sich befinden, über eigene Funktionsweisen und Regeln.
Der §129b wurde anhand der Erfahrungen, die aus den RAF-Gefangenen gewonnen wurden, vorbereitet. Isolationshaft ist die härteste Folter, der juristisch eine Gesetzesgarantie gegeben wurde. Der Zweck ist es, den Verstand der Gefangenen zur Kapitulation zu bringen und sie psychisch und physisch Tag für Tag zu zermürben.

Meine Isolations- und Haftbedingungen in den drei Jahren sahen wie folgt aus:

  • Ich habe täglich 22 bis 23 Stunden in der Zelle verbracht.
  • Fünf Monate lang hatte ich für eine Stunde Einzelhofgang.
  • Bei jedem Betreten und Verlassen der Zelle wurde ich Leibesvisitationen mit Hand oder per Metalldetektor unterzogen.
  • Mein Anwaltsbesuch fand mit Trennscheibe und Mikrofon statt.
  • Besuch fand mit Trennscheibe und Mikrofon im Beisein von ein oder zwei Polizisten und Dolmetscher statt.
  • Drei Jahre lang wurden alle meine Briefe durch die Bundesanwaltschaft ins Deutsche übersetzt und kontrolliert. Viele Briefe wurden beschlagnahmt und als Beweise benutzt.
  • Mein kompletter Briefverkehr mit meinen Anwälten wurde von einem Sonderrichter gelesen.
  • Für lange Zeit (zwei Jahre) habe ich das Essen alleine im Beisein einer Wärterin erhalten.
  • Für sechs Monate wurde mein Zugang in die Sporthalle unterbunden.
  • Bei jedem Verlassen der Zelle waren ein oder zwei Wärterinnen anwesend.
  • Ich wurde alleine auf die Krankenstation gebracht.
  • Ich wurde alleine zum Gericht und ins Krankenhaus gebracht.
  • In die Klinik oder in staatliche Krankenhäuser wurde ich im Beisein von schwer bewaffneten Sonderkommandos und unter außerordentlichen Sicherheitsvorkehrungen gebracht.
  • Es wurde mir nicht gestattet, zu arbeiten.
  • Ein Jahr lang wurde meine Teilnahme an Kursen unterbunden. Nach einem Gerichtsbeschluss habe ich angefangen, mich an Kursen zu beteiligen. Aber nach zwei Monaten wurde auf Beschwerde an die Bundesanwaltschaft, durch den für die Kurse verantwortlichen Sozialpädagogen hin, meine Teilnahme an den Kursen unterbunden. Der Vorwand war, ich könne durch die an den Kursen beteiligten Frauen Informationen nach draußen übermitteln. Nach drei Monaten Rechtsstreit akzeptierte die Bundesanwaltschaft meine Teilnahme an den Kursen unter der Voraussetzung, dass die Namen aller Kurslehrer mitgeteilt und diese einer Sicherheitsuntersuchung vollzogen werden müssten. Da ich gegen die Strafe Widerspruch eingelegt und an das Kassationsgericht gewendet hatte, habe ich 15 Monate mehr in Isolation verbracht.

Auch wenn die „rechtliche“ Dimension der Isolation nach meiner Verurteilung teilweise beendet ist, so dauert die Isolation in seinen verschiedenen Formen bis zum letzten Tag der Gefangenschaft an.
Auch wenn ich durch mein Verurteiltenstatus scheinbar mit den übrigen Gefangenen den „gleichen“ Bedingungen unterliege, so ist die Praxis nicht so.
Alle Gefangenen, die einen Teil ihrer Strafe hinter sich haben, werden in den offenen Vollzug verlegt – dies schließt die Gefangenen ein, die wegen Mord eingesperrt sind. Vor dem offenen Vollzug erhalten sie drei oder sechs Stunden Ausgang. Aber die politischen Gefangenen können keinen Gebrauch von diesen Rechten machen. Auch wird ihnen das Recht auf Zweidrittelstrafe nicht zuerkannt.
In den Gefängnissen Deutschlands werden nur die politischen Gefangenen der Isolation ausgesetzt. Gefangene, die wegen Mord im Gefängnis sind, werden nicht einen Tag isoliert – es sei denn, sie stellen eine besondere Gefahr dar.
Die jahrelange Inhaftierung von politischen Gefangenen unter außerordentlichen Sicherheitsmaßnahmen führt dazu, dass die übrigen Gefangenen sie – wenn man das so sagen kann – als „Monster“ betrachten. Somit wird zwischen den sozialen und den politischen Gefangenen eine dicke Mauer errichtet und der Isolation Beständigkeit verliehen. Der Zweck ist es, die politischen Gefangenen komplett zu isolieren und sie psychisch und physisch einbrechen zu lassen.
Auch wenn die sozialen Gefangenen nicht wirklich wissen, was „Terror“ bedeutet, so werden sie durch die global verbreitete, dunkle Propaganda beeinflusst.
Wenn wir vor Augen führen, dass weibliche Gefangene unpolitischer und unbewanderter sind als männliche Gefangene, dann hat die Antipropaganda mehr Wirkung auf Frauen. Und das bringt die soziale Isolation hervor.
In deutschen Gerichten und Gefängnissen werden ausländische Gefangene anderen Behandlungen ausgesetzt. Ausländische Gefangene haben Schwierigkeiten, Probleme zu lösen, da sie über geringe Sprachkenntnisse verfügen. Gleichzeitig sind sie den Repressalien ausgesetzt, denen deutsche Gefangene auch ausgesetzt sind. Die Fremdenfeindlichkeit ist manchmal verdeckt und manchmal offen; aber sie ist permanent.
In einer solchen Umgebung wird die Situation noch schwieriger, wenn man sowohl eine politische als auch ausländische Gefangene ist und obendrein noch eine Frau ist.
Die Verbindung der politischen Gefangenen nach draußen wird komplett abgeschnitten und jegliche Solidarität verhindert. Die Menschen, die einen Briefverkehr mit politischen Gefangenen haben, schreibt die Bundesanwaltschaft gelegentlich an, um ihnen zu sagen, dass es sich bei der Gefangenen um eine „Terroristin“ und eine „gefährliche“ Person handelt, um sie abzuschrecken. Menschen, die Briefe schreiben oder zu Besuch kommen, werden wie „Organisationszugehörige“ behandelt, kriminalisiert und versucht, sie als Zeugen zu verhören.
Es wird nicht nur beabsichtigt, den Kontakt nach draußen zu unterbinden. Es wird beabsichtigt, die politischen Gefangenen von allen Lebewesen sowohl drinnen als auch draußen zu isolieren.

  • Zensur ist die wirksamste Waffe der Isolation. Der Kontakt über die Presse zur Außenwelt und das gesetzliche Recht auf „Wissen und Informationsfreiheit“ werden unterbunden.
    Beispielsweise werden Zeitungen mit Lügen wie „die Post ist nicht gekommen“ oder „die Post ist gekommen, aber es waren keine Zeitungen dabei“ nicht ausgehändigt oder werden verschwinden gelassen. Diese Lüge kann über Jahre fortgesetzt werden. Gegen die Zeitungs- und Bücherzensur und nur um türkische Zeitungen lesen zu können, war ich 54 Tage im Hungerstreik.

 

  • Während der Untersuchungshaft ist der Erhalt von Büchern von der Erlaubnis der Bundesanwaltschaft abhängig. In Puncto Büchererhalt hat jedes Gefängnis seine eigenen Bedingungen. So erlaubt die JVA Lichtenberg beispielsweise 30 Bücher-Cds-DVDs.
  • Während es mir zu meiner Untersuchungshaftzeit erlaubt war, Bücher von Buchhandlungen meiner Wahl zu erhalten, so kam nach meiner Verurteilung die Beschränkung, nur noch Bücher von drei Buchhandlungen zu erhalten, die vom Gefängnis bestimmt wurden. Da das ungesetzlich war, hat das Gefängnis nach meinem Widerspruch einen Schritt zurück gemacht.

 

  • Auch wenn es im Berliner Frauengefängnis nicht praktiziert wird, so gibt es in vielen Gefängnissen die Pflicht, Anstaltskleidung zu tragen. So hat Şadi Özpolat zum Beispiel mehrmals längere Hungerstreiks gegen Anstaltskleidung gemacht. Er hat sich in seiner Zelle ein Handtuch umgewickelt, aber er hat die Anstaltskleidung nicht angezogen.

 

  • Die Gefängnisse schaffen ständig Probleme für politische Gefangene. Der Tagesablauf besteht fast ausschließlich darin, kleinere oder größere Probleme zu bewältigen. Es wird beabsichtigt, die politischen Gefangenen dazu zu bringen, dass sie an nichts anderes als an Probleme denken.

 

  • Es werden Komplotts und Provokationen gegen politische Gefangene geschmiedet. Im Lichtenberg Gefängnis wurde ich zweimal – einmal durch eine deutsche Heroinsüchtige und einmal durch eine reaktionär-faschistische, türkische Bankräuberin – durch Denunziationen bei der Polizei verleumdet. Aufgrund dessen hat die Polizei Ermittlungen gegen mich eingeleitet und meine Akten an die Staatsanwaltschaft geschickt. Anhand von realitätsfernen Anzeigen wie „Entführung, Beleidigung und Körperverletzung“ hat die Polizei in Kollaboration mit der Staatsanwaltschaft Komplotts organisiert. Von einer Person, die die Anzeige gemacht hatte, hat weder Polizei noch Staatsanwaltschaft den Namen mitgeteilt. Trotz der Anträge meines Anwalts hat die Staatsanwaltschaft ein Jahr lang die Akten nicht herausgegeben.

 

  • Jahrelang hat eine psychopathisch-faschistische deutsche Mörderin, die zu 24 Jahren verurteilt wurde, die Lüge hinsichtlich der Bombardierung der Diskothek „La Bella“ aufrecht erhalten. Dabei ist es sowohl historisch als auch logisch vollkommen absurd, mich mit diesem Ereignis, welches 1986 in Berlin stattgefunden haben soll, in Verbindung zu bringen. Ich habe bei der Staatsanwaltschaft eine Anzeige gegen diese Person gestellt. Dies sind im Grunde genommen bekannte Konterguerilla-Methoden, um die Revolutionäre in den Augen der Bevölkerung  und der anderen Gefangenen als bedeutungslos darzustellen, sie anzuschwärzen und sie durch das Auslöschen ihres politischen Images zu kriminalisieren.

 

  • Ein anderes großes Problem, das ich im Lichtenberg Gefängnis habe, ist der extreme Lärm. Lärm und Musik in hoher Lautstärke sind Foltermethoden.Sowohl in meiner dreijährigen Untersuchungshaftzeit als auch danach wurden psychisch erkrankte-, halb verrückte-, Lärm machende-, laut Musik hörende-, schnarchende- oder schwer drogenabhängige Gefangene in Zellen links, rechts, über und unter mir eingesperrt, wodurch ich eingekreist wurde.
    Letztes Jahr wurde wurde ich sechs Monate lang einem permanenten und systematischen Lärmterror ausgesetzt. Dagegen habe ich ständig Anträge eingereicht. Ich habe 15 Tage lang das Essen boykottiert. Auch wenn die Probleme zwischenzeitlich gelöst schienen, so wurden jene, die verlegt wurden, durch noch schlimmere ersetzt. Schließlich war ich gezwungen, meine Zelle zu wechseln.Es wurde durch denunziatorische Gefangene, die sich Zusammenarbeit mit dem Gefängnis befinden, mehrere Provokationen angezettelt. Andere Gefangene wurden auf verdeckte Weise durch die Denunziantinnen gegen mich aufgehetzt. Die Provokationen gewannen an Kontinuität, weil ich für eine Solidaritätsorganisierung zwischen den Gefangenen war, weil ich mich nicht in das Gefängnissystem habe integrieren lassen, weil ich mich gegen die Faschsistinnen gestellt habe und weil Denunziantinnen dechiffriert habe.
    Das Gefängnis hat alle Mittel ausprobiert, um die Isolation fortzusetzen. Sogar eine kleine Solidaritätsbekundung oder mein gemeinsames Agieren mit Mitgefangenen wurde sofort gegen mich gedreht.
    Eine politische Gefangene lässt sich nicht auf Kompromisse mit dem Gericht ein, lässt nicht von ihrer politischen Identität ab, passt sich nicht dem kapitalistischen Gefängnissystem an und lässt sich nicht rehabilitieren. Sie erlebt Probleme bis zu ihrem letzten Tag.
    Die einzig befugte Instanz, die darüber entscheidet, wie die Haftbedingungen der §129b-Gefangenen nach ihrer Verurteilung fortgesetzt werden und ob es Änderungen diesbezüglich gibt oder nicht, ist die Bundesanwaltschaft.
    Auch der BND sendet Berichte an die Gefängnisse über die politischen Gefangenen. Und das Gefängnis übermittelt Berichte an das Bundesgericht und an andere Gerichte. Auf diese Weise wird geprüft, ob es Veränderungen in der politischen Gesinnung und der Persönlichkeit bei den politischen Gefangenen gibt. Der Freilassung folgt die Bedingung, sich nicht mehr politisch zu betätigen und fünf Jahre unter Kontrolle zu verbringen.
    Mit der durch die Imperialisten erschaffene und verzerrte „Terrorismus“-Propaganda soll der antiimperialistische und antifaschistische Kampf von Grund auf gesäubert und beseitigt werden.
    Alle Schwierigkeiten und Repressalien, die die §129b-Gefangenen erleben, sind als Resultat dieser Politik permanent.