Knastkampf ist Klassenkampf – Ein Update zur Situation von Gülaferit Ünsal

Es ist ein nicht enden wollender Kreislauf. Ist das eine Problem beseitigt, schleicht sich schon das nächste an. So geht es Gülaferit Ünsal im Lichtenberger Frauenknast. Die nach §129b zu sechseinhalb Jahren verurteilte revolutionäre Gefangene ist Schikanen von Mitgefangenen ausgesetzt, die vom Knast gegen sie aufgehetzt werden. Einige Situationen mögen beim Lesen absurd und unlogisch vorkommen; es liegt daran, dass sie es auch sind. Das Verhälntis unter den Frauen ist sehr ambivalent. Besteht heute noch eine gute Beziehung zueinander, ist es am nächsten Tag urplötzlich umgekehrt. Angaben von Gülaferit zufolge passiere dies ständig und sei kein Einzelfall. Mit einer Systematik werde dies von den Wärter*innen gefördert; mit dem Ziel Gülaferit sozial zu isolieren.

Der Weihnachtsdeko-Vorfall
Zwischen den Frauen gab es Unstimmigkeiten wegen der Weihnachtsdekoration im Gemeinschaftraum. Gülaferit, die mit der Deko nichts zu tun hatte, außer sich mit den Frauen darüber zu unterhalten, wurde von einer Wärterin und drei weiteren Gefangenen verbal massiv angegangen. Dies führte auch dazu, dass es auf der gesamten Station Einschluss gab. Auslöser war eine auf ihrer Station befindliche Nazi-Frau, die sich über sie beschwerte. Diese Frau hatte auch davor schon ständig gegen Gülaferit gehetzt, sie rassistische beschimpft, provoziert und auch mit anderen Frauen Streit gehabt.

Gemeinsamer antifaschistischer Antrag und das Anti-Nazi-Essen
Gülaferit ist generell aktiv im Knastalltag. Sie hilft ihren Mitgefangenen und steht mit ihrem Kampf auch stets für deren Rechte ein und macht sich für diese stark. Am Tag nach dem Weihnachtsdeko-Vorfall hat Gülaferit mit weiteren Frauen einen gemeinsamen antifaschistischen Antrag eingereicht, den 20 Gefangene mitunterschrieben und vier deutsche Gefangenen nicht unterschrieben hatten. Gefordert wurde die Verlegung der Nazi-Frau. Am selben Tag organisierte Gülaferit ein Anti-Nazi-Essen, bei dem vier Gefangene kochten und 15 Gefangene teilnahmen. Die Stimmung war gut und es wurde viel diskutiert. In dessen Verlauf sprachen sich alle anwesenden Gefangenen gemeinsam gegen Rassismus und Nazis aus. Die Nazi-Frau kam einen Tag darauf in den Offenen Vollzug, was einer Belohnung gleichkommt.

Der Weihnachtessen-Vorfall
Gülaferit hat sich um die Organisation des Weihnachtsessens für ihre Station gekümmert und mit den anderen Frauen besprochen, was sie essen wollen. Eine Denunziantin (die beiden kennen sich schon aus der Zeit im Pankower Knast, die betreffende Frau hat Gülaferit damals in der Zeit ihres Hungerstreiks immer wieder gestört) hat im Alleingang bzw. mit Absegnung einer Sozialberaterin und der Wärter*innen die Organisation des Essens übernommen. Warum? Wir können nur mutmaßen, dass die Stimmung des vorherigen Essen nichts ins Justizvollzugskonzept passte und deshalb eine Person eingesetzt wurde, bei der sich die kollektive Stimmung nicht wiederholen würde.

Das Knast-Konzert
Viele Frauen warteten an den Fenstern auf das Konzert. Als es los ging haben viele geschrien, gerufen und gegen die Fenster/Gitter geschlagen. Gülaferit berichtete, dass es sich anfühlte wie ein „kleiner Aufstand“ und dass die Wärter*innen krass verunsichert waren. So etwas, in dieser Lautstärke und mit der Beteiligung fast aller Frauen, hätte es in ihrer Zeit dort noch nicht gegeben.
Was passierte während des Konzerts auf ihrer Station? Eine Mitgefangene denunzierte sie wegen Lautstärke, weil sie „Hoch die Internationale Solidarität!“ rief und sich (wie der restliche Knast auch) an dem Konzertjubel beteiligte. Sie wurde von den Schließern aufgefordert in ihre Zelle zu gehen. Gülaferit weigerte sich und beantwortete dies mit den Worten „Hoch die internationale Solidarität!“. Als Resultat kamen später sämtliche Wärter*innen, die sie umzingelten, um ihr deutlich zu machen, dass sie in ihre Zelle gehen soll. Die Stimmung hatte sich mal wieder gegen Sie gewandt. Nachdem sie die Nazi-Frau losgeworden war, wurden nun andere ihrer Mitgefangenen gedreht. Sie (die Mitgefangenen) faselten irgendwas davon, dass während des Konzertes irgendwelche „Bomben“ durch die Terroristen (die Konzertveranstalter*innen) gelegt würden und sie nun furtbare Angst hätten, dass etwas passieren würde.

Der Silvester-Demo entgegen
In der Woche vor Silvester erhielt Gülaferit Besuch von der Grünen-Politikerin Canan Bayram. Nach dem Besuch wurde Gülaferit das erste Mal mit einer willkürlichen Schuhdurchsuchung konfrontiert. Sie ließ die Durchsuchung nicht zu und bekam für ihren Protest eine Verwarnung!
Am Silvesterabend beteiligten sich 15 Gefangene an einer Feier im Gemeinschaftsraum, während die Denunziantin und zwei ihrer Freundinnen nicht an den Feierlichkeiten teilnahmen. Bei diesem Anlass wurde das Verhalten der Denunziantin thematisiert und darüber geredet, wie diese für Provokationen instrumentalisiert wird. Während der Silvester-Demo haben Gülaferit und eine weitere Gefangene die Parole „Hoch die internationale Solidarität gerufen.

Wir rufen alle dazu auf, sich solidarisch mit Gülaferit zu zeigen.
Wir sind gegen das gegenseitige Aufhetzen der gefangenen Frauen.
Der Knast muss diese Methoden sofort beenden.
Gülaferit wird weiter kämpfen und diese Schikanen nicht hinnehmen.

HOCH DIE INTERNATIONALE SOLIDARITÄT