Freiheit für Pablo Hasél

Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen Magdeburg

Am 16. Februar 2021 wurde in Spanien der Rapper Pablo Hasél verhaftet. Er war zu seinem Haftantritt nicht erschienen. Er blieb sich selbst treu. Statt sich der Klassenjustiz zu unterwerfen, verbarrikadierte er sich zusammen mit Unterstützer*Innen und Genoss*Innen in der Universität seiner Heimatstadt Lleida, wo ihn die spanische Polizei mit einem Großaufgebot verhaftete.

Die sogenannte „ley mordazo“ (deutsch „Maulkorbgesetz“), welches gegen Hasél verwendet wird, wurde von der spanischen Regierung unter dem rechten Ministerpräsidenten Mariano Rajoy im Jahre 2015 verabschiedet. Dieses weltweit stark kritisierte Gesetz ermöglicht es dem Staat jeglichen Protest zu kriminalisieren. So wurde unter anderem das Fotografieren oder Filmen von Polizeikräften, das Abhalten von öffentlichen Versammlungen, die Störung oder das Verhindern von Zwangsräumungen und Besetzungen sowie viele weitere Formen des Protests und des Widerstandes verboten und mit Geldstrafen von 600 € bis 30.000 € belegt. Damit sind die Möglichkeiten der Polizei stark ausgeweitet. Für das Ausrufen zu Protesten im Internet sind beispielsweise drei bis zwölf Monate Haft vorgesehen. Das Verrückteste an diesem Gesetz ist, dass nicht ein Richter über diesen auf Protestbewegungen zugeschneiderten Beschluss entscheidet, sondern die Polizei selbst. Die Polizei, die immer wieder wegen falscher Anschuldigungen gegen Demonstrant*Innen überführt werden konnte, erhielt damit ein Gesetz, das ihr das Bestrafen ohne jegliche richterliche Kontrolle ermöglicht. Hätten beispielweise Russland oder Venezuela ein solches Gesetz erlassen, hätte dies im Parlamentstheater zu Streitereien und Sanktionen geführt. Nicht so bei diesem spanischen Beschluss, denn hier kümmerte es in der EU nur linke Journalisten und die widerständige Bewegung. Dasselbe Gesetz wird nun auch herangezogen, um Menschen zu kriminalisieren, die gegen die COVID-Einschränkungen verstoßen. Also dient das Gesetz auch als Rechtfertigung der Einschränkungen derer Grundrechte.

Doch wer ist Pablo Hasél? Der MC heißt mit bürgerlichem Namen Pablo Rivadulla Duro. Geboren wurde er am 09. August 1988 in Lleida, im Westen der autonomen Region Katalonien. Sein Vater war Präsident des ortsansässigen Fußballclubs UE Lleida. Seine Mutter entstammt einer Familie von Juristen. Er besuchte die private Jesuitenschule Collegio Claver. Ähnlich wie bei vielen von uns proletarischen Kindern, verlor er mit 14 Jahren langsam das Interesse an der Schule. Er schrieb lieber Songs und verließ schlussendlich die Schule ohne Abitur. Sein erstes Album „Esto no es el paraiso“ (deutsch „Dies ist nicht das Paradies“), war schon ganz klar politisch. Zeitgleich lebte der politische Rap mit Gruppen wie Menteguerra, La Tecnika oder Arma X wieder auf. Sein Sound ist direkt und ohne nachträgliche Politur. „Ich nehme schnell auf und verbringe nicht den kompletten Tag damit, mich selbst zu retuschieren“ sagt Pablo selbst über seinen Style. In einem Interview erklärt er, dass sich seine Tracks in drei Liederarten einteilen lassen: sozialkritisch und systemverneinend, sentimentale und persönliche Songs und Spottlieder. Alle seine Alben veröffentlicht er kostenlos im Netz über bekannte Seiten wie hiphopdirecto.net oder hhgroups.com. Auf seinem eigenen YouTube-Kanal finden sich noch weitere, nicht veröffentlichte Tracks von ihm.

Hasél ist eine Figur der arabischen Literatur, über welche Pablo Hasél in einem Buch mit Kurzgeschichten in seiner Jugend las. Der antimonarchistische Guerillakämpfer, der im Wald lebt und den Adel besiegt, inspirierte ihn so nachhaltig, dass er sich heute als Künstler Pablo Hasél nennt. Noch weit vor seinem Rap, war Hasél in dem seit 1922 nach Unabhängigkeit von Spanien strebenden Katalonien als Dichter bekannt. Seine Poesie verstand er als revolutionäre Kunst gegen den Staat und die herrschende Klasse. Außerdem spielt er in dem Film Tijera contra papel (deutsch „Schere gegen Papier“) aus dem Jahre 2018 mit. Die Dokumentation des Regisseurs Gerard Escuer thematisiert die Zensur in Spanien, wo im selben Jahr insgesamt 14 Rapper riskierten ins Gefängnis zu müssen. Escuer analysiert diese Zensur, welche verstärkt Musiker trifft, und den Versuch die Wahrheit, die der Staat als gefährlich ansieht, durch Repression (von Konzertverboten bis hin zu Haftstrafen) mundtot zu machen. Des Weiteren ist Hasél in dem ebenfalls im Jahre 2018 erschienenen Film 11 Setembre. Acte institucional 2018 und in Alguna preguntames? aus dem Jahre 2021 zu sehen. 2021 drehte auch der Regisseur Nikone Cons eine 58 minütige Dokumentation über ihn mit dem Titel Hasél: Poeta Proscritto

Seine öffentliche Solidarität mit den kämpfenden Bewegungen – so hieß eines seiner Alben Un café con Gudrun Ensslin – und sein Hass auf die Unterdrückenden und seine klare klassenkämpferische Position gegen den Staat machten ihn oft zur Zielscheibe der Repressionsorgane. Im Oktober 2011 wurde er wegen seinem Lied Democracia su puta madre verhaftet und auf Kaution freigelassen. Dieses Lied widmete er dem Inhaftierten Camarada Arenas (Kampfname von Manuel Perez Martinez). Geboren im Jahre 1944 in Melilla war Arenas Generalsekretär der verbotenen, ‚wiedergegründeten‘ kommunistischen Partei Spaniens, der PEC(r). Die Partei gründete sich als eine praktische Kritik an dem Reformismus der Linken. Sie arbeitet gezwungenermaßen in der Illegalität, da sie durch ein Parteigesetz als illegal deklariert wurde. Der Staat versucht in einem Konstrukt die GRAPO als bewaffneten Arm der PCE(r) darzustellen. Die PCE(r) aber, sieht den bewaffneten Kampf als notwendig an, führt diesen letztlich aber nicht. Aus diesem Grund ist die GRAPO auch nicht Teil ihrer Strukturen. In seinem Lied teil Hasél die Linie der Partei, weist außerdem auf die Repression hin, welche die revolutionäre Linke trifft und kritisiert nicht nur die soziale Ungerechtigkeit und dessen Profiteure, sondern auch den Teil der Linken, welche sich dem Klassenfeind unterwerfen, statt zu kämpfen. Alle, die die Broschüre über die Mosaike von Paolo Neri kennen, haben schon Bilder gesehen, die der Genosse Arenas im Gefängnis gemalt hat. Eine sehr schöne und auch bekannte Zeichnung trägt den Titel Jovenes sovieticos.

Im April 2014 wurde Pablo Hasel wegen 10 seiner Lieder, in denen er sich mit der GRAPO, ETA, RAF und Terra Lliure solidarisiert, zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt. Nach einer Welle der Empörung und Solidarität in den sozialen Netzwerken wurde die Anklage fallengelassen und Hasél am darauffolgenden Tag gegen Kaution und unter Auflagen wieder freigelassen. Im Mai 2014 wurde er in Lleida verhaftet, da er mit seinen Genoss*Innen einen Stand der Identitären angegriffen haben soll. Im Juni 2016 schubste Hasél einen Journalisten des Fernsehsenders TV3 und besprühte ihn während einer Auseinandersetzung auf dem Campus der Universität Lleida mit Reinigungsmittel. Die damaligen Kämpfe von Studierenden – Epizentrum der Mobilisierung war das Sindicato de Estudiantes de los Países Catalanes (SEPC) – richteten sich gegen Inma Manso, Professorin und Subdeligierte der spanischen Regierung des Partido Popular in Lleida. Die Kämpfe waren so stark, dass sie nur noch von der Polizei eskortiert, unterrichten konnte.

Im Juni 2020 wurde er deshalb zu sechs Monaten Haft und einer Geldstrafe verurteilt. Im selben Monat wurde er wegen Bedrohung und Behinderung der Justiz zu zweieinhalb Jahren Haft und 2.500 € verurteilt. Er soll im Oktober 2017 einen Zeugen während eines Prozesses wegen Polizeigewalt bedroht haben. Im März 2018 wurde Pablo Hasél wegen Beleidigung und Verunglimpfung der Krone sowie Verherrlichung von Gewalt zu zwei Jahren Gefängnisstrafe verurteilt. Die Staatsanwalt warf Pablo vor den spanischen Ex-König Juan Carlos I in insgesamt 64 Tweets durch Bezeichnungen wie „Parasit“ oder „Mafioso“ beleidigt zu haben. Mit dem Lied Juan Carlos el bobon (deutsch Juan Carlos der Dussel) kritisiert Hasél explizit seinen ausschweifenden Lebensstil und seine korrupten Geldgeschäfte. Am 28. April 2019 wurde Hasél für 17 Stunden festgenommen, nachdem er an einer Veranstaltung teilgenommen hatte, bei der die Freilassung des GRAPO-Gefangenen Paco Cela gefordert wurde. Anfang 2021 wurde Pablo Hasél aufgefordert sich freiwillig ins Gefängnis zu begeben, um eine neunmonatige Strafe wegen beleidigung und der verherlichung von Terrorismus anzutreten. Diese Aufforderung verweigerte er öffentlich. Am 16. Februar 2021 wurde er auf dem Campus der Universität von Lleida verhaftet, nachdem er sich dort mit zahlreichen Unterstützern verbarrikadiert hatte. Er zeigte sich kämpferisch, anstatt die Flucht ins Exil anzutreten, so wie andere Rapper es taten. Nach Einlieferung in die Haftanstalt gab er über seine Anwältin bekannt, dass er ein „antifaschistischer politischer Gefangener“ sei, forderte eine Einzelzelle und verweigerte die Gefängnisarbeit. Zu den ihm zur Last gelegten Textstellen gehören Passagen wie „Television Española verdient eine Bombe“, „Todesstrafe den pathetischen Infants“, dem spanischen Adelshaus, sowie „Weil sie unsere Kohle für Schönheitsoperationen ausgeben“, „Die Eigentümer der Zeitungen El Mundo und Abc. Man sollte sie mit ihrem Lügenpapier ersticken“ und „Das Auto von Patxi Lopez verdient es zu explodieren“. Des Weiteren rappte er mit „Wir sind die Wut, die nach Revolution strebt und nicht nach Betäubung“ in seinem Track Ni Felipe VI, auch gegen das Königshaus unter dem Sohn von Juan Carlos I. „Der Samen der Freiheit, den ich pflanze, wir wachsen“ und weiter „Leonor (Felipes älteste Tochter und Thronerbin) wird den Schweiß richtiger Arbeit kennenlernen“.

Schon bei seiner ersten Inhaftierung im Jahre 2011 sind hunderte Jugendliche in Lleida auf die Straßen gegangen. Doch dieses Mal waren es tausende mehr. Die angestaute Wut über soziale Ungerechtigkeit, Hunger, Räumungen sowie die Einschränkungen und Auflösungen der Bürgerrechte in der Corona-Pandemie explodierte auf den Straßen mehrerer spanischen Städte. So gab es Kämpfe in Barcelona, Lleida, Granada und Madrid. Die Festnahme von Pablo Hasél war der letzte Tropfen, der letzte arrogante Machtbeweis der herrschenden Klasse, welche sich die Menschen nicht mehr bieten lassen wollen. Alt und Jung, Frauen und Männer, und natürlich alle, die in diesen zwei Positionen keinen Platz finden, gingen auf die Straßen und kämpften mehrere Tage lang. Immer härter und mutiger gegen die Polizisten, die das Recht der Herrschenden durchsetzen. In Vic wurde sogar eine Polizeistation der Mossos d’Esquadras zerstört. Über die Wut der Demonstrant*Innen wurde viel berichtet, aber weniger über die Gewalt der Polizei – durch die eine Person ein Auge verlor. In dem YouTube-Video Pablo Hasél: Fuerza y orgulio ist eine Zusammenstellung von vielen Aktionen der Solidarität mit Hasél zu sehen. Er zeigt sich auch im Gefängnis kämpferisch und nicht reuevoll. So solidarisierte er sich auch aus seiner Zelle mit den Kämpfer*Innen auf der Straße.

Wir wünschen ihm viel Kraft und, dass er schnell wieder freikommt. Wir können Euch noch keine Adresse zur praktischen Solidarität vermitteln, da wir diesbezüglich noch keine Informationen haben. Wir werden danach suchen und Euch hoffentlich bald mehr übermitteln können.

Die Wahrheit zu Rappen ist kein Verbrechen
Freiheit für Pablo Hasél!