BRIEF VON IRMA LEITES

Irma Leites

Eine griechische Genossin, Internationalistin, erzählte mir, dass ein Genosse aus Kolumbien, „el Turco“, der von den Paramilitärs ermordet wurde, sagte: Für jeden gibt es ein Meer um die Seele zu reinigen. Dieser Satz ist über Ozeane und Himmel gereist. Sie bewahrt diesen Satz wie einen Schatz auf, in Erinnerung an den „Turco“ und weil auch Sie das Meer erleichtert, wenn der Kampf anstrengend ist. Es gibt Tage da brauchte sie viele Meere. Ein griechischer Genosse, der einen Demospruch aus dem Spanischen falsch übersetzte und vielleicht sogar besser sagte. In Uruguay singen wir: Befreit Sie, Die Gefangenen die für ihren Kampf einsitzen! Er übersetzte, Befreit Sie, damit Sie zum Kämpfen rauskommen! Kleine große Sachen der Internationalisten.
Dimitris hat aus dem Gefängnis angerufen und diesen Brief für die Anwesenden in der Politécnica in Athen verlesen, nach einem bewegenden Treffen, das wir im Knast einige Stunden vorher gehabt hatten. 9 Jahre lang konnte er nur von seiner Frau und seinem Sohn besucht werden. Fast immer konnten sie nur über einen Telefonhörer miteinander sprechen Wir konnten unseren Genossen trotz der Politik der Gefängnisbürokratie besuchen. Dmitris, der seit 2002 in dem Keller eines Hochsicherheitsgefängnisses isoliert wird. Dies sind Momente, in denen Du die ganzen Erinnerungen an die Haft auf der Haut spürst. Die Tür, die hinter deinem Rücken abgeschlossen wird. Die Zeit steht still. Ein Zauberspruch, mit dem Du noch einmal bestätigst und fühlst, dass du eine Sprache hast und eine Blick ohne Gitter, ohne Grenzen mit denen die nicht an die Zähmung des Kapitalismus glauben. Die wir aber an eine andere Welt glauben und für sie kämpfen.
Etwas von einem bleibt dort zwischen den Mauern mit den Genossinnen und Genossen und wieder etwas kommt befreiter raus, um weiter den Kampf auf den Straßen zu entfachen. Auch für Elena, Mutter von Sarantos Nikitopoulos, der ein Jahr im Knast saß und der an eben diesem Nachmittag befreit wurde. Auch etwas von mir hat sich diese Ansprüche mitgenommen und etwas von mir ist in diesen griechischen Gassen geblieben um jene zu begleiten, die heute ihre Angehörigen in den Gefängnissen besuchen, die Kinder, die ohne ihre Eltern aufwachsen. An jene die im Gefängnis geboren werden, wie es uns vor Jahrzehnten passierte.
Dimitris ist Mathematiker und Imker. Übersetzer aus dem Spanischen. Dimitris war Mitglied der Guerilla 17 November (am 17 November 1973 hat das griechische Volk die Diktatur gestürzt. An diesem Datum erhoben sich die Menschen in der Politechnischen Universität Athens, wo die Repression mit Panzern und Kugeln den Schrei der Freiheit ersticken wollten). Sie rissen die Tore der Universität nieder, mordeten, aber siegten nicht. Eine lange Liste von Guerilla Aktionen bewegten das kommende Jahrzehnt. Ziele der Genoss:innen waren die Symbole des US und britischen Imperialismus, Banken, Militärbasen und Folterer. Eine Geschichte der Gerechtigkeit wurde in Griechenland geschrieben. Eine konterrevolutionäre Offensive – koordiniert und gefordert von allen europäischen Regierungen – sollte auf die Genoss:innen niedergehen. Mit 9 Jahren im Gefängnis, mit lebenslanger Haft als Aussicht, hat Dimitris das Träumen nicht verloren. Auch wenn die schrecklichen Gefängnisse seine Schritte beschränken, auch wenn die Mächtigen von Heute verhindern, dass es die Straßen durchlaufen kann, ist er dennoch heute Symbol des Kampfes und des Wiederstandes, der Ethik und der Unnachgiebigkeit für viele in Griechenland. Für die Freiheit aller Gefangenen in der Welt und besonders in Athen teile ich Dimitris‘ Worte, seine klare Botschaft und sein revolutionäres Engagement. Die Tupamaros waren für diese Genossen eine Inspiration und ein Vorbild für das, was zu tun ist – auch wenn es vielen heute nicht gefällt – wie es in Dimitris Worten sichtbar wird. Wie weit unsere Aktionen gehen, wenn sie das Herz des Systems treffen! Dimitris und ich sagten uns am Ende des Besuchs, mit einer großen Umarmung: Hasta, Siempre!
Unser heutiges Treffen ist eine Feier der Erinnerung und des Widerstands. Es ist ein Moment dieses alten Kampfes der Erinnerung gegen das Vergessen, jenes sehr alten Kampfes der Unterdrückten gegen ihre Unterdrücker und Ausbeuter.