Grussbotschaft von Georges Abdallah an die Demonstration vor dem Knast in Lannemezan am 23.10.2021

Georges Abdallah
(Übersetzung Bärbel Wiemer)


Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde,

Nach einem Monat intensiver Solidaritätsmobilisierung in Frankreich und in anderen Ländern seid ihr heute vor diesen Mauern und diesem Stacheldraht versammelt. Wie vor einem Jahr oder für einige von Euch bereits seit einem Jahrzehnt, ruft Eure bloße Anwesenheit hier immer noch viel Emotion und Begeisterung hervor. Seht ihr GenossInnen und FreundInnen, die Atmosphäre an diesem finsteren Ort, all diese Gefängnisatmosphäre, ändert sich, wenn das Echo des aktiven Lebens auf die namenlose Plattitüde eines tödlichen Gefängnisalltags prallt. So entdecken soziale Mitgefangene wie durch Zauberei, wenn auch nur für einen Augenblick, die Schönheit und Kraft grundlegend uneigennütziger menschlicher Beziehungen und Solidarität trotz so vieler Jahre hinter Gittern…In kulturellem und emotionalem Elend überlebend, für einige viele Jahre ohne wirkliche Beziehung zur Gesellschaft, bleibt dieses Erwachen der Begeisterung und der Menschlichkeit nicht unbemerkt. Man kann es in den Augen lesen und man kann es an den spontanen und oftmals aufrichtigen aber leider zukunftslosen Kommentaren sehen…
GenossInnen und Freundinnen und Freunde, das Echo eurer Parolen, eurer Lieder und alles andere, durchdringen diesen Stacheldraht und die Wachtürme, sie hallen in unseren Köpfen wider und tragen uns weg von diesem finsteren Ort.

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde, zu Beginn dieses 38. Jahres der Gefangenschaft gibt mir das Wissen Kraft, dass ihr hier in der Vielfalt eures Engagements gegenwärtig seid, nur wenige Meter von meiner Zelle entfernt, und das straft all jene Lügen, die darauf setzen , dass eurer Solidaritätsdynamik der Atem ausgeht.
Vor allem bestärkt es mich in meiner Überzeugung, dass die Veränderung der Kräfteverhältnisse zugunsten der inhaftierten revolutionären Protagonisten immer von der Solidaritätsmobilisierung abhängt, die auf der Grundlage des antikapitalistischen/antiimperialistischen Kampfes angegangen wird. Das können wir ohne das geringste Zögern sagen: Die bedeutendste Unterstützung, die unseren gefangenen Genossen entgegengebracht werden kann, ist es, Teil des realen Engagements in den laufenden Kämpfen zu sein. Sicher wisst ihr, dass immer politische Instanzen entscheiden wieviel Raum und Gewicht dem juristischen Ritual beigemessen wird, sobald es um inhaftierte revolutionäre Protagonisten geht. Und weil die Solidarität innerhalb des Klassenkampfes in all seinen Dimensionen verortet ist, wiegt es für die Machthabenden schwerer unsere Genossen in den Gefängnissen festzuhalten als sie freizulassen und damit mögliche Bedrohungen einzugehen. Es ist auch dieses Engagement und diese kämpferische Solidaritätsmobilisierung, die dazu führt, dass wir trotz so vieler Jahre von Gefangenschaft immer noch zusammen stehen und entschlossen aufrecht sind angesichts dieses 38. Jahres, das bereits verspricht voller Kämpfe und auch Hoffnungen zu sein.
Genossinnen und Genossen in diesen Zeiten der Pandemie, der multidimensionalen Krise, die die Säulen des kapitalistischen Weltsystems erschüttert, verschärfen sich die innerimperialistischen Widersprüche immer mehr. Überall schwenkt die imperialistische Bourgeoisie in letzter Zeit die Fahne des Nationalismus. Der klassische Reflex der Kapitalisten in Krisenzeiten, um die Volksmassen besser an „ihre“ Bourgeoisie und „ihren“ Staat zu binden. Als ob die Frage, für die Arbeiter und andere prekäre Menschen die nach „der Größe der Nation“ sei und nicht die nach dem Ende des Kapitalismus und seiner Barbarei. Und doch liegt die Krise des sterbenden Kapitalismus in seiner Phase der fortgeschrittenen Fäulnis auf globaler Ebene bereits offensichtlich da… die Gesundheitskrise, die ökologische Krise, die wirtschaftliche und soziale Krise verbinden sich und weiten sich immer mehr aus. Es gibt keinen Ausweg aus der Krise im Rahmen des Kapitalismus. Der globalisierte Kapitalismus ist der heute real existierende Kapitalismus.
Die Agonie seiner Welt wird nur in der Überwindung des Kapitalismus enden, nicht durch historische Kompromisse und andere illusorische Versuche, die Errungenschaften eines sogenannten demokratischen Kapitalismus mit menschlichem Antlitz zu bewahren, sondern durch den unerbittlichen Kampf „Klasse gegen Klasse“. Heute leben wir alle unter der Hegemonie des globalisierten Kapitals. Kein Land kann sich dem zerstörerischen Mechanismus dieser Hegemonie vollständig entziehen. Es ist dieser „globalisierte Kapitalismus“, d.h. der real existierende Kapitalismus, der sich in der Krise befindet. Und es ist dieser Kapitalismus, den die Kommunisten und alle revolutionären Protagonisten besiegen müssen, um die Barbarei zu besiegen. Für das Überleben der Menschheit, für das Überleben unseres Planeten müssen wir den Kapitalismus und seine Barbarei loswerden können und das schnellstens.
In jüngster Zeit ist es klar, Genossinnen und Genossen, dass in einer Zeit, in der in Afrika die Positionen des französischen Imperialismus zugunsten anderer Mächte (übrigens nicht nur Chinas und/ oder Russlands, sondern auch Deutschlands, der USA und der Türkei) weiter erodieren, sich in Frankreich ein Prozess der Faschisierung immer weiter durchsetzt. Sicherlich ist dies nicht ein Thema, auf das hier eingegangen werden kann, aber die Tatsache bleibt, dass es größten Anlass zur Sorge gibt.
Genossinnen und Genossen, um beim Aufbau der geeigneten revolutionären Alternative voranzukommen, ist die Konvergenz der Kämpfe mehr als unverzichtbar. Der historische Block der arbeitenden und anderer prekärer Menschen wird in der globalen Dynamik des Kampfes in all seinen Komponenten aufgebaut und strukturiert.
Nur durch diese globale Dynamik zeigt der Klassenkampf die politischen Möglichkeiten der gegenwärtigen Bewegung auf und drängt das handelnde Proletariat, sich seinen bewussten politischen Ausdruck anzueignen. Indem sie sich den bewussten politischen Ausdruck ihrer Klasseninteressen aneignen, entdecken sich die proletarischen Massen wieder als Subjekt ihrer Geschichte und der Geschichte schlechthin. Nur in diesem Prozess des gemeinsamen Handelns gelingt es den verschiedenen Protagonisten des revolutionären Kampfes hier und anderswo auf der Welt, die entsprechende Alternative aufzubauen und der Agonie des sterbenden Kapitalismus in seiner Phase der fortgeschrittenen Fäulnis, nämlich der Agonie des real existierenden Kapitalismus, ein Ende zu setzen.
Wie ihr seht, Genossinnen und Genossen, zeigt die arabische Bourgeoisie in ihrer großen Mehrheit jetzt ihr ungeschminktes sich-Einreihen ins Lager des Feindes. Das lastet einerseits auf dem Kampf der palästinensischen Volksmassen und bekräftigt andererseits die besondere Stellung der palästinensischen Sache als einen der Haupthebel der arabischen Revolution. Und offensichtlich müsste der Kampf innerhalb des sozialen Blocks der Revolution die Ausweichmanöver und andere Kompromisse der Bourgeoisie zählen, um sich allen „liquidatorischen“ Vorschlägen stellen zu können. Der palästinensische Widerstand hat und wird sich dem „reaktionären arabisch-zionistischen Block“ unter Führung der imperialistischen Mächte stellen müssen.
Palästina erteilt uns täglich Lektionen an Selbstaufopferung und Mut von außergewöhnlicher Bedeutung. Mehr denn je übernehmen die palästinensischen Volksmassen trotz allen Verrats der Bourgeoisie die Rolle des wahren Garanten für die Verteidigung der Interessen des Volkes. Angesichts der Besatzung und der Barbarei des Besatzers ist die erste legitime Antwort, die vor allem gegeben werden muss, Solidarität, alle Solidarität mit denen, die mit ihrem Blut der Besatzungssoldateska gegenübertreten. Die Haftbedingungen in den zionistischen Gefängnissen verschlechtern sich von Tag zu Tag weiter. Und wie ihr Genossen und Genossinnen wisst, ist die internationale Solidarität eine unverzichtbare Waffe, um sich dagegen zu wehren. Natürlich können die palästinensischen Volksmassen und ihre revolutionären Avantgarden immer auf Eure Mobilisierung und Eure aktive Solidarität zählen.
Mögen tausend Solidaritätsinitiativen zugunsten Palästinas und seines vielversprechenden Widerstands gedeihen!
Mögen tausend Solidaritätsinitiativen zugunsten palästinensischer Blumen und Löwenjungen gedeihen!
Solidarität, alle Solidarität mit den Widerstandskämpfern in den zionistischen Kerkern und in den Isolationszellen in Marokko, der Türkei, in Griechenland, den Philippinen und anderswo auf der Welt!

Solidarität, alle Solidarität mit den jungen ProletarierInnen der Arbeiterviertel! Solidarität, alle Solidarität mit den ProletarierInnen im Kampf! Solidarität, alle Solidarität mit den jemenitischen Volksmassen!

Ehre den Märtyrern und den Volksmassen im Kampf!

Nieder mit dem Imperialismus und seinen zionistischen Kettenhunden und anderen arabischen Reaktionären!

Der Kapitalismus ist nur noch Barbarei, Ehre für alle, die sich ihm in der Vielfalt ihrer Ausdrucksformen widersetzen!

Gemeinsam Genossinnen und Genossen, und nur gemeinsam werden wir siegen!

An euch alle Genossinnen und Genossen, Freunde und Freundinnen meine revolutionären Grüße

Euer Genosse Georges Abdallah
(Übersetzung Bärbel Wiemer)