Stimmung in Stuttgart verschärft sich immer mehr

Martin Eickhoff

Nach den Riots Anfang Juni wird immer mehr von den Bullen ermittelt, eine Sondereinheit, auch bekannt als Ermittlungsgruppe „Eckensee“ bestehend aus 75 Beamten versuchen weiterhin, aus ihrer Sicht Verdächtige zu ermitteln, die sich an den Ausschreitungen und vermeintlichen Plünderungen in der Nacht zum 21. Juni beteiligt haben. Bislang haben die Ermittler laut Mitteilung 49 Tatverdächtige identifiziert, darunter auch 2 Frauen. Die Frauen sollen im Knast Schwäbisch Gmünd inhaftiert sein, die Männer in Stuttgart Stammheim, jedoch ist diese Aussage nicht verifiziert, da auch linke Gruppen aus dem eher bürgerlichen oder  pseudoradikales Milieu sich nicht um Kontakte zu den Jugendlichen bemühen, weil diese nicht in ihre soziokulturelle Zielgruppe reinfallen. Inzwischen wird auch immer weniger berichtet, so dass unklar bleibt, was der aktuelle Stand ist. Statt die Jugendlichen einen neuen sozialen Nahraum zu holen, diese zu unterstützen, in ihrer Resilienz zu stärken und politisieren, passen diese halt nicht in Personenvorstellungen die in manchen linken Gruppen herrschen. Statt einer Adaption findet hier leider eine Exklusion statt. Zielführender wäre es beispielsweise, wie es schon die Tätigkeitstheorie von dem sowjetischer Psychologe Leontjew postuliert, dass die individuelle Interaktion von Tätigkeiten mit der Realität im Kontext der Entwicklung analysiert werden und dann gestärkt werden soll.


Solidarisches Handeln darf sich aber nicht darauf begrenzen, die eigene Gruppe zu promoten und sich nur solidarisch zu zeigen, wenn dieser der eigenen politischen Gruppe angehört. Hier sieht man deutlich den Unterschied des sogenannten Stuttgarter Linken Zentrums und unserem Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen sowie unserer Zeitschrift Gefangenen Info. Politisch Verfolgte, aber auch generell Staatsverfolgte verdienen unsere Unterstützung und Hilfe und keine egozentrierte Scheiße, sonst verkommt die Parole „Solidarität muss praktisch bleiben“ zu einer leeren Worthülse.
 
Aber als gab auch linke AktivistInnen, die mit sozialpädagogischer Ausbildung, z.B. Sozialarbeiter*innen, Jugend- und Heimerzieher*innen, aber auch aus anderen Berufsgruppen abends um die Jugendlichen kümmerten, ihnen Kontakt zu Rechtsanwält*innen oder linken Aktivist*innen vermitteln, aber ihnen auch nur zuhören und schauen, wie sie diese unterstützen und helfen können. Teilweise wurden auch Bulleneinsätze kritisch begleitet, so dass den Jugendlichen emotionale Unterstützung gegeben wurde. Alles dies, was das BRD-Regime natürlich nicht bietet, sondern rebellische Jugendliche einfach nur weggesperrt haben will. Bezeichnend ist das ein sozialpädagogisches Programm für Jugendliche und um den Eckensee, dem vermeintlichen Ausgangspunkt bereits vor 2 Jahren auf Initiative der Grünen und SPD komplett gestrichen wurden, davon will mensch natürlich jetzt nichts mehr wissen. Warum auch? In ein paar Monaten sind Landtagswahlen und da will sich natürliche keine Partei in einem negativen Licht darstellen.
 
Dass auch vor nicht strafmündigen Teenies halt gemacht wird, zeigt,dass sich beispielsweise ein 13jähriger Jugendlicher seit mehreren Wochen in Gewalt des achso demokratischen Staates befindet und ihm sogar anfangs der Besuch seiner Mutter verwehrt wurde. Wochen später wurden dann teilweise einzelne junge Menschen freigelassen, mit der Auflage sich einmal in der Woche bei den Bullen zu melden. Natürlich wurden diese nicht über ihre Rechte ausgeklärt, so dass zu der Angst um Repression auch konkrete Zukunftsängste dazukommen.
 
Ferner wird von CDU Innenminister Strobl gegen junge Menschen mit Migrationshintergrund gehetzt – infam heißt es in einem Statement „Das kann nicht gerechtfertigt werden und das nehmen wir auch nicht hin“, in die gleiche Kerbe schlägt auch der Tübinger OB Boris Palmer von den Grünen, der vor kurzem Schlagzeilen machte, weil er sich gegen transsexuelle Mitglieder in seiner Partei aussprach.
 
Mittlerweile sprechen auch Mainstreamjournalisten von institutionellen Rassismus bei den Stuttgarter Bullen, was von diesen, aber auch von den Altparteienvertreter*innen natürlich weit von sich gewiesen wird. Auch soll Alkohol trinken auf öffentlichen Plätzen mit hohen Geldbußen bestraft werden, sowie es jüngst die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden beschlossen hatte.
 
Ebenfalls wurde vom Gemeinderat in Stuttgart eine Bespitzelung mit 30 Kameras in den Nächten auf Samstag, auf Sonntag und vor Feiertagen jeweils von 20 bis 6 Uhr beschlossen.
 
Aber nicht nur die Riots, mittlerweile haben auch 2 GenossInnen Strafbefehle in Höhe von 750 Euro bekommen, weil sich diese kurzzeitig an einer Filiale von Peek & Cloppenburg aus Protest gegen die ausbeuterischen Maßnahmen festgeklebt haben und obwohl sie angeboten haben, die Klebereste zu entfernen.
 
Bleiben wir weiterhin solidarisch und lassen uns weder vom Staat, von deren Handlagern, von Medien, aber auch nicht szeneintern spalten! Kämpfen wir bis alle Knäste und Repression fallen, damit wir in einer freien Welt und freien Vereinbarungen leben können.

 

P.S. Weiterhin kam es 2.Juli in Stuttgart und weiteren Städten Baden-Württembergs zu Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen und DNA-Entnahmen. Eine Person namens Jo wurde in U-Haft gesteckt, alle anderen sind wieder auf freiem Fuß. Die Durchsuchungen stehen laut der Ermittlungsgruppe „Arena“ im Zusammenhang einer Auseinandersetzung zwischen Nazis der selbsternannten Gewerkschaft „Zentrum Automobil“ und AntifaschistInnen.
Bei „Zentrum Automobil“ handelt es sich um keine Gewerkschaft, sondern um einen faschistischen Verein. Ihr Gründer und Vorsitzender, Oliver Hilburger, komponierte mit seiner Nazi-Band „Noie Werte“ den Soundtrack für das NSU-Bekennervideo, das in Nazikreisen herumging, lange bevor die Öffentlichkeit etwas von der Existenz des NSU erfuhr. Seine Verbindungen sowohl in das direkte NSU-Umfeld als auch zum mittlerweile verbotenen, militanten Nazinetzwerk Blood & Honor sind umfangreich und lange bekannt. Demnach geht es nicht um „Linke gegen Gewerkschaften“, sondern um eine Auseinandersetzung zwischen AntifaschistInnen und Freunden von Naziterroristen.
 
Wer  Jo schreiben will:
 
Jo
Alles mit Stichwort Jo versehen und an:
Rote Hilfe Stuttgart
c/o Infoladen
Böblingerstr. 105
70199 Stuttgart