Wie Bullen versuchen vor den Rondenbargprozessen Stimmung über Aktenzeichen XY zu verbreiten

Martin Eickhoff

Nachdem in Kürze die Prozesse um die Ereignisse am Rondenbarg vor Gericht gehen, wo die Hamburger Staatsanwaltschaft eine Anklage gegen 70 Demonstrant*Innen erhoben hat. Will sich die Staatsmacht vor den bevorstehenden Prozessen noch mal in ein gutes Licht rücken, indem Sie sich selbst als die „Guten“ und „Unschuldigen“ darstellt, während die Linken natürlich pauschal böse sind.
Hierzu nutzt sie neben Print – und Sozialen Medien, seit 1967 auch die Fernsehsendung „Aktenzeichen XY“, wo mit Klischees und dramatischer Musik den Otto Normalbürger zur Denunziation aufruft. Hier geht es nicht nur um die Verfolgung von Straftätern, sondern auch um Diskriminierung radikal linker Aktivitäten. Zu dieser Thematik hatte in der Vergangenheit auch Ulrike Meinhof schon Artikel veröffentlicht.
Bei den Prozessen geht es um den Morgen des 7. Juli 2017, als 150 bis 200 schwarz gekleidete und vermummte Personen auf eine Hundertschaft krawallgebürsteter Bullen trafen. Diese Gruppe von linken Aktivisten soll angeblich grundlos der Hundertschaft den Zugang zum Rondenbarg blockiert haben. Von „Team Blau“ wurde niemand verletzt, auf der anderen Seite, der der demonstrierenden Menschen, gab es 14 Verletzte. Natürlich gab es keine Ermittlungsverfahren gegen die Bullen.
Im Vorfeld der Demonstration war auf St. Pauli und im Schanzenviertel im April 2016 die sogenannte „Taskforce Drogen“ eingerichtet worden, der knapp 80 Cops angehörten. Diese Einheit leitete der damals 50 Jahre alte Polizeidirektor Enno Treumann, der als Hardliner und Vertreter von „Racial Profiling“ hinreichend bekannt ist. Fünf Monate nach dem Start der Einheit, gingen zwei Autos des Möchtegernsuperbullen im Stadtteil Lemsahl-Mellingstedt in Flammen auf. Bis auf ein Bekennerschreiben auf Indymedia (wo allerdings jeder Mensch Texte hochladen kann), gab es keinen Hinweis, was passiert oder nicht passiert ist, außer das halt die zwei Karren nicht mehr existieren. Bei diesem Vorfall kamen keine Personen zu Schaden, nur dass es halt zwei Autos weniger gibt, die Treumann aber ersetzt bekam. Über die harte Politik des Herrn Treumann, schweigt sich das sogenannte Öffentlich-Rechtliche Fernsehen natürlich aus.
Im Vorfeld des G-20 Gipfels wurde die Wohnung des Hamburger Aktivisten Halil Simsek durchsucht, weil er einer überregionalen Tageszeitung ein Interview gegeben hatte. Einen Zusammenhang zum Brand der Autos und geringfügiger Schäden am Carport, hatte es bei der Durchsuchung zunächst nicht gegeben, bis die Bullen auf einmal einen Zettel in der Sammlung beschlagnahmter Gegenstände jener Hausdurchsuchung entdeckten, auf denen Daten von ihrem geliebten Enno standen. Im Fernsehbericht wurde natürlich nicht erwähnt, das Halil 30 Minuten von den Bullen angebrüllt wurde, sehr unkooperativ mit ihm umgegangen wurde und ihm das Handy zum Anrufen einer Anwältin vorenthalten wurde. Persönlich erklärte er gegenüber dem Verfasser des Artikels, dass er die Sendung als reine Polizeipresse empfand und kein Mensch von der Aktenzeichen XY Redaktion je mit ihm gesprochen hatte, sondern sich alles nur auf das, was die Pressestelle der Staatsmacht behauptet, bezog. Es ist inzwischen auch längst klar und bewiesen dass unser Genosse Halil diesen Zettel nicht geschrieben hat. Ohne jeglichen Zusammenhang wurden ständig Originalbilder von den Ausschreitungen im Schanzenviertel während des G-20-Gipfels in den Beitrag gemischt um offensichtlich bemühte Stimmungsmache gegen linken, legitimen, politischen Widerstand zu betreiben.
Der sehr seltsam anmutende Höhepunkt des TV-Beitrags war, als die Hamburger Polizeipressesprecherin Levgrün diesen Zettel in ein Plastiktütchen eingepackt und wie eine Reliquie in der katholischen Kirche, dem gaffenden Fernsehpublikum präsentierte.
Sie hielt es für »interessant«, dass darauf auch eine E-Mail-Adresse von Treumanns Autohändler vermerkt sei. Die Hamburger Bullen wollen herausfinden, wer den Zettel geschrieben habe, dies sei nämlich »ein wichtiger Zeuge«. Das diese Bullenreliquie bereits seit drei Jahren in Besitz des Staates ist und erst jetzt präsentiert wird, erläutert die Pressesprecherin natürlich nicht. Auch nicht, dass die entsprechende Person, sollte sie ermittelt werden, wahrscheinlich mit Repressionsmaßnahmen überzogen wird.
Da bei dem Carportbrand keine Personen zu schaden kamen, dient vor den anstehenden Mammutprozessen der Aktenzeichen XY Beitrag aller Wahrscheinlichkeit nach dazu, der Mainstreambevölkerung wieder die Bilder des G20 Gipfels in Erinnerung zu rufen und die Bullen als die „Guten“, „Bedrohten“ und „Opfer“ darzustellen. Gerade in Hinblick auf die aktuelle Kritik an Polizeigewalt. Gewalt also, ausgeübt durch Polizisten, die wie die jüngsten Vorfälle in den USA auch vor Morden, wie an George Floyd, nicht zurückschrecken und versuchen, legitimen, linken Widerstand im Bewusstsein der Menschen zu kriminalisieren und das Themenfeld Polizeigewalt, weit weg zu schieben.
Abschließend wünschen wir allen Angeklagten, Freispruch, Freiheit und alles Gute. Und immer dran denken: Anna und Arthur halten das Maul“. Dies gilt nicht nur gegenüber dem Staat, sondern auch deren Lakaien, wie die Macher der Skripted Reality Show „Aktenzeichen XY“ oder anderen Medienverteter*Innen.