Aus einem Brief von Rainer Loehnert vom 26.07.2020

lieber ,….

ich sitze hier mittags auf meiner station und will an das info schreiben.
ich hoffe, dass das info bald kommt, denn das info sagt, revolutionäres bewusstsein verteidigen.
es kann sein, dass ich etwas unruhig bin. das liegt an dem unerträglichen ohrenpfeifen, das ich im linken ohr seit 2 jahren habe.
ich befinde mich auf der krisen- und aufnahmestation, ständiger wechsel von gefangenen, das bedeutet, neue kommen oder es kommen welche aus den therapiehäusern zurück.
ich versuche trotzdem ruhig zu bleiben und mich nicht auch von anderen mitgefangenen, die wahnsinnig sind oder akute drogenpsychosen haben, provozieren zu lassen.
mir werden weiter starke psychopharmaka verabreicht.
ich kaufe meist nur kaffee, briefmarken und tabak, da ich extrem nikotinsüchtig bin.
ich halte mich tapfer. widerstand braucht mut, das hat manni peter iceman gesagt. ich sage: wenn man keine lust mehr hat, kann man es gleich vergessen.
macht ist ein anarchistischer begriff, genau wie die freiheit. wenn man keine züge nach draußen mehr hat, also sagt, mir ist es egal, rauszukommen, dann ist man/frau schon tot.
so ist das!
Gülaferit ünsal, wegen „dhkp-c“ verurteilt; hat in den berliner knästen ähnliches erlebt.
ich erinnere mich, dass dort auch junkies waren und eine frau sie sogar mit einem messer angegriffen hat.
der nächste anhörungstermin steht anfang september an.
die stellungnahme der klinik ist besser, aber in der legalprognose („fluchtgefahr und hohe gefährlichkeit“).
ich bin jetzt im 35sten haftjahr und das landgericht sagt wahrscheinlich: ihnen ist die stellungnahme der klinik bekannt, herr löhnert?
ich bejahe und dann gebe ich ihnen zeit dazu, stellung zu nehmen. dann stelle ich den antrag auf entlassung und dann redet meine anwältin dr. toerhardt und die psychologin oder der arzt. ich sage dann auch noch was zur unterbringung und bitte, mich doch nicht drinnen sterben zu lassen.
mit anderen worten: ich bekomme ein jahr verlängerung.
ich hoffe auf freiheit wie sie ist. anarchie ist eine gesellschaft ohne staat, knast, heime und zwangsburgen, die geschlossenen psychatrien, die forensik.
ich könnte noch sagen, eine gesellschaft der gerechtigkeit gleich und im zeichen der freiheit, die anarchie.
so, es ist heiß heute und ich beende den brief.
5 finger sind eine faust.
euer freund rainer löhnert davies, anarchist
p.s.: holger meins, gefangener aus der raf, der der im hungerstreik starb und sagte: schwein oder mensch, dazwischen gibt es nichts.
Holger, rest in peace!
nelson mandela, rest in peace!

Rainer Loehnert

Haus 1, Station F 1/2
Südlicher Rundweg 20A
47551 Bedburg-Hau