Brief von Tomas

Hallo an Alle,  Euren Brief mit den „vergessenen“ GI´s habe ich am 11. Juli erhalten, also 4 Tage nach Poststempel. Es war alles drinnen, denke ich mal. Auch die Textsammlung, danke!
Inzwischen bekomme ich endlich die „Junge Welt“, für die man manchmal auch etwas Zeit braucht…
Kurz zu unseren Kämpfen. Rein politische Kämpfe sind ja eher schwierig im Knast. Daher geht es in erster Linie um die Knastbedingungen. Im spanischen Staat sitzen noch etwa 300, im französischen Staat ca. 80 baskische politische Gefangene. Mal geht es um solidarische Aktionen zur Freilassung schwer kranker GenossInnen (z. B. im März 2016) in Absprache mit den Bewegungen draußen, mal geht es um die immer härter und schärfer werdenden Knastbedingungen vor Ort. So wie hier in Fleury um unsere Zusammenlegung im Knast. Die Zusammenlegung sämtlicher baskischer politischer Gefangener im Baskenland ist ein längerfristiger Kampf, der hauptsächlich draußen ausgefochten wird als Vorstufe zur Amnestie (diese verstanden als die Abschaffung der Gründe, die zum Kampf und Gefangenennahme geführt haben, also politische und soziale Befreiung) verstanden wird. Ich weiß, das ist ein kontroverses Thema. Können wir ein anderes Mal diskutieren.
Die möglichen Aktionen drinnen sind natürlich sehr beschränkt. Plakat-Aktionen, Kund-gebungen im Hof (zu dritt), Blockaden im Hof (mit folglicher Strafzelle, wie im Juni), und alles Schriftliche an Knastleitung, Gerichte, Menschenrechtsinstitutionen, usw. Es ist alles eine Abwägung von Aufwand und Nutzen und mögliche Folgen für uns und die restlichen Gefangenen. Und der Aufwand für die Knastverwaltung.
Die Kooperation mit sozialen Gefangenen ist ein anderes Thema. Klar betrifft sie die Verschärfung des allgemeinen Knastbetriebes (Willkür der Beamten, weniger Aktivitäten, schlechteres Essen, usw.) genauso wie uns. Die meisten unterstützen auch unsere Aktionen. Aber selber mitmachen oder die Initiative ergreifen, das hieße, die Erwartungen zu hoch anzusetzen.
Im Mai haben politische (baskische) und soziale Gefangene im Frauenknast Fresnes (Paris) eine Reihe von Aktionen begonnen, um gegen die Verschlechterung des Knastregimes zu protestieren. Plakate und Sitzblockaden und Briefe an die Leitung. Ca. 30 – 40 Frauen haben 3 – 4 Tage lang teilgenommen, bis sie alle ins Strafquartier versetzt wurden. Eine baskische politische Gefangene wurde als Rädelsführerin beschuldigt und isoliert (Itziar Moreno). Daraufhin sind aus Solidarität ihre 2 Genossinnen und die 6 männlichen Genossen in den Hungerstreik getreten (3 Wochen). Die Frauen in Fleury sind in die Strafzelle gegangen und wir Männer wollten uns dem Hungerstreik anschließen. Aber dann ist Itziar verlegt worden (nach Fleury) und kam so aus der Isohaft raus. Unterdessen machen wir hier weiterhin wöchentliche Plakat-Aktionen für unsere Zusammenlegung.
Wir schätzen, dass es in Fleury (4500 Gefangene) fast wöchentlich einen Selbstmord gibt. Von dem was wir von den arbeitenden Gefangenen hören. Doch wie sollen wir Gefangene motivieren, die schon draußen ein eher „egoistisches“ oder „selbstbezogenes“ Leben führten (ich meine damit in erster Linie auf ihr eigenes Wohl ausgerichtetes Leben), kritisch ja, aber doch sehr unpolitisch.
Leute, die uns fragen, wieviel Geld wir für unsere politische Aktivitäten bekommen … Wenn der Verdienst stimmt, schließen sie sich uns an… Andere Welten, schwierig. Leute, die sich lieber mit anderen Gefangenen anlegen, um ihren Frust los zu werden, als mit den BeamtInnen oder Knastleitung. Verständlich, aber problematisch.
Selbst mit sozialkritischen Mitgefangenen ist es praktisch unmöglich, über simple populistische Positionen hinaus („alle Politiker sind korrupt“) zu reden. Von Islamisten ganz zu schweigen (verstehen sie nicht, weil wir nicht den Glauben haben).

Also, gebt Acht auf Euch und liebe Grüße

Tomas Elgorriaga Kunze


Adresse bitte beim Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen Magdeburg erfragen.