Interview mit PROLOS zur SIKO

Redaktion

Was ist die „SIKO“ konkret und wer trifft sich dort?

Bei der MSC handelt es sich um das weltweit größte Treffen von Herrschenden aus Militär, Sicherheitsbranche, Wirtschaft und Politik. Dort sind die Typen, die das imperialistische System von Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg weltweit am Laufen halten.
1963 wurde der Vorläufer der SIKO (Münchner Sicherheitskonferenz, jetzt MSC = Munich Security Conference) als sogenannte „Internationale Wehrkunde-Begegnung“ zum ersten Mal abgehalten. Dieses Treffen war auf etwa 60 Teilnehmer beschränkt. Mittlerweile präsentiert das Who-is-who des sogenannten militärisch-industriellen-Komplexes, medienwirksamen garniert mit reichlich Politprominenz, seine Vorstellungen von dem, was sie unter Frieden und Sicherheit verstehen.
Sie diskutieren wirksame Abschottungsmaßnahmen gegen die weltweiten Flüchtlingsströme, die durch die gnadenlose Ausbeutung der Menschen und der Umwelt in den Ländern der Peripherie ausgelöst wurden. Genauso Thema ist der Ausbau des Repressionsapparats in den Metropolen wegen der zu erwartenden Unruhen aufgrund des rapiden Sozialabbaus und der gnadenlos gesteigerten Ausbeutung im Produktionsprozess. Großes Thema ist derzeit auch die IT-Sicherheit, die neben der SIKO selbst auch in ausgelagerten Gremien, die das ganze Jahr über stattfinden, diskutiert wird. Natürlich geht es immer auch um die Feinabstimmung über die Kriege, die der Imperialismus derzeit führt oder noch zu führen gedenkt.
Obwohl sich mittlerweile, wie gesagt, einiges an Politprominenz eingefunden hat, ist dieses Treffen eine rein private Veranstaltung. Hier treffen sich Industrielle direkt mit Militärs und besprechen, fernab der Öffentlichkeit und jeglicher demokratischer Legitimation, wie die herrschende Klasse ihre Macht militärisch absichern kann und was die Industrie diesbezüglich an Equipment dazu liefern kann. Diese intimen Hinterzimmertreffen sind der eigentliche Charakter der SIKO und nicht die Propagandashow, die mittlerweile nach außen abgezogen wird. Die eigentlichen Akteure scheuen eher das Licht der Öffentlichkeit. Über konkrete Abmachungen dringt kaum etwas nach draußen.
Grund genug, für uns präsent zu sein und die SIKO öffentlich zum Thema zu machen!

Was versteht ihr unter Imperialismus und wie hat sich dieser eurer Meinung nach entwickelt?

Die Antwort auf diese Frage ist freilich sehr komplex. Für uns ist Imperialismus in erster Linie ein über die Ökonomie definiertes Verhältnis. Das heißt, wir bezeichnen die kapitalistische Wirtschaftsweise in ihrer derzeit fortgeschrittenen Form als Imperialismus, bestehend in der weltweiten organisierten Herrschaft multinational agierender Konzerne, Banken und imperialistischer Staaten.
„Fortschreitende Technik und Kapitalakkumulation führten bei zunehmender Entwicklung des Kapitalismus zu Zentralisierung im Industrie- und Finanzsektor. Die vielgepriesene „freie Konkurrenz“ verschwindet. Als hervorstechende Merkmale blieben Monopolbildung (bzw. Oligopol, Marktbeherrschung durch mehrere Unternehmen), Kapitalexport und Verschmelzung von Industrie- und Bankkapital zum Finanzkapital sowie beanspruchte Macht- und Einflusssphären (Aufteilung der Welt unter international agierenden, monopolistischen Kapitalverbänden). Dieses Gefüge musste zudem militärisch abgesichert werden. Der Kapitalismus trat in sein imperialistisches Stadium ein.“ (aus dem Prolo-Programm 2017)
Bewusst haben wir uns antikapitalistisch bzw. antiimperialistisch verordnet.
Die kapitalistische Globalisierung hat die Marktgesetze nicht nur in den letzten Winkel der Welt getragen, sondern dieses Regime versucht, mit seiner skrupellose Marktideologie selbst in die intimsten Bereiche der Menschen einzudringen. Damit unterstreicht das System seinen imperialistischen Totalitätsanspruch über alles und jeden.

Ihr gebraucht den Begriff „imperialistische Totalität“. Was versteht ihr genau darunter?

Multinationale Konzerne wissen und bestimmen heute, was wir sehen, was wir denken, wo wir uns bewegen, wer unsere Freunde sind, wie wir lieben, wie wir Sex haben. Das gesamte Privatleben wird in bisher nicht gekannter Weise kontrolliert, manipuliert und kommerzialisiert. Durch diesen Prozess wird der Mensch als solcher „kolonisiert“.
Dabei stehen wir heute erst am Anfang einer Entwicklung zur totalen Macht von Großkonzernen, die jeglicher gesellschaftlicher Einflussnahme enthoben sind und deren Einfluss in der aktuellen, vierten industriellen Revolution unaufhörlich wächst. Damit gewinnt eine weitere Ware auf dem Markt eine ungeheure Wichtigkeit – die Information.
Das ist, in Kürze, was wir unter imperialistischer Totalität* verstehen.

Was bedeutet das konkret für die Lebensrealität der Menschen?

Die Möglichkeiten der Manipulation und Überwachung, die sich für die herrschende Klasse daraus ergeben, sind enorm, weshalb bei der MSC auch führende Wissenschaftler aus der IT-Branche anwesend sind.
Für viele Menschen auf der Welt ist dieses imperialistische System nach wie vor gleichbedeutend mit Chaos, Destabilisierung, Abschottung und Krieg. Aber der Pulverdampf der Kanonen sollte uns nicht den Blick vernebeln, dass es vor allem das ökonomische Moment ist, das die Politik des Imperialismus bestimmt und sich auf alle sozialen Verhältnisse der Menschen so verheerend auswirkt.

Das ist tatsächlich eine sehr komplexe Sichtweise zum Begriff Imperialismus. Greifen für euch andere Erklärungen zu kurz?

In der Praxis gebrauchen viele den Begriff Imperialismus nur, wenn es um Krieg geht. Antiimperialismus wird oft mit Antimilitarismus gleichgesetzt. So richtig es ist, dass Imperialismus zu Krieg führt, lässt sich Antiimperialismus nicht auf Antimilitarismus reduzieren. Der Imperialismus tötet, lange bevor die erste Bombe fällt. Durch Ausbeutung, Hunger, Unterdrückung und verhinderte Entwicklung töten er mehr Menschen als alle Kriege zusammen. Imperialismus ist also nicht nur kriegerischer Kapitalismus. Deshalb greifen antimilitaristische Ansätze, so notwendig sie sind, zu kurz, wenn sie keine umfassende Kritik des imperialistischen Systems einschließen.
Für den größten Teil der Menschheit bedeutet Imperialismus knallharter Klassenkampf von oben. Der Imperialismus heutiger Prägung ist neo-kolonialistisch und als globales System seltener die direkte Fremdherrschaft einer Peripherie durch ein Zentrum, sondern vielmehr ein komplexes Gefüge von Abhängigkeiten, Ungleichheiten und Ausbeutungsverhältnissen durch transnationale Konzerne, imperialistische Staaten und internationale Organisationen. Für uns enthält der Imperialismusbegriff daher die nicht getrennt zu verstehenden bürgerlichen Herrschaftsverhältnisse, also den Klassenwiderspruch, die Geschlechterverhältnisse, den Rassismus, den ökologischen Widerspruch und, wie keine andere Definition, zusätzlich eben die expansionistische Komponente. Erst zusammengenommen ergibt sich ein umfassendes Bild bürgerlicher Herrschaft. Geht man davon aus, dass der Imperialismus Kapitalismus in seiner fortgeschrittenen Phase ist, so leitet sich daraus ab, dass das imperialistischen System mittlerweile alle Lebensbereiche der Menschen bestimmt und somit das totalitärste System ist, das es je gab.
(Vergleiche: „Imperialismus und Totalität“, Prolos Nürnberg 2018, und „Was ist Anti-Imperialismus und was nicht?“, Siempre*Antifa Frankfurt 2017).
Das ist unser Beitrag zur gegenwärtigen Analyse der bestehenden Verhältnisse. Für uns ist es wichtig, den Begriff Imperialismus als politischen Arbeits- und Kampfbegriff zu definieren, zu propagieren und verstärkt in die Öffentlichkeit zu tragen. Wir hoffen damit einen Beitrag zur inhaltlichen Weiterentwicklung der revolutionären Linken zu leisten und freuen uns über eine lebendige Debatte durch Zustimmung, Kritik oder Ergänzungen.

Könnt ihr etwas über den Widerstand gegen die „SIKO“ sagen? Wie hat sich dieser entwickelt, wie liefen die Mobilisierung in den vergangenen Jahre?

Seit Jahrzehnten gibt es Widerstand gegen die SIKO, der sich in vielfältigen Aktionen im Vorfeld und in einer großen Gegendemo während des Treffens in München ausdrückt. Die Mobilisierung ist ja nach politischer Großwetterlage unterschiedlich. 1991 wurde die SIKO während des Golfkriegs sogar im Vorfeld abgesagt, weil die Veranstalter glaubten, die Sicherheit aufgrund der zu erwarteten Proteste nicht gewährleisten zu können. 2001 wurde versucht, die Gegenaktionen und die Großdemo insgesamt zu verbieten. Im Ergebnis haben sich über 10.000 Menschen dem Verbot widersetzt. Trotz eines massiven Polizeiaufgebots, gewalttätigen Übergriffen von Seiten der Bullen und mehrerer versuchter Kesselungen konnte das Demoverbot nicht durchgesetzt werden. Es waren machtvolle Beispiele ungebrochenen Widerstandswillens, auch von Seiten großer Teile der Bevölkerung.
Seit Jahren gibt es einen internationalistischen Block auf der Anti-SIKO-Demo, der sich, trotz teilweise massiver Polizeiübergriffe, immer wieder behauptet.
Leider wird seit Jahren von zu wenigen Menschen die Bedeutung dieser Veranstaltung erkannt, vor allen von Menschen im Norden der Republik. Andere Gipfeltreffen der Mächtigen haben zurecht großen Widerstand entfacht, zuletzt der G20-Gipfel in Hamburg. Auch wenn die herrschende Klasse und die dazugehörigen Medien ein rechtes Gejammer über „die Gewalt des Mobs auf der Straße“ anstimmten, so war es doch ungemein wichtig, der Welt zu zeigen, dass die Politik der Imperialisten auch in den Metropolen nicht widerstandslos hingenommen wird. (Solidarische Grüße, Kraft und Mut an alle Gefangenen und Angeklagten der Proteste um den G20-Gipfel!).
Die Feuer von Hamburg wurden in jedem Slum und in jeder Favela dieser Welt verstanden!
Angesichts der Bedeutung, welche die SIKO für die herrschende Klasse hat, ist es unverständlich, dass die Linke nicht adäquat reagiert. Es gibt eigentlich genug Gründe, um gegen die MSC auf die Straße zu gehen. Deshalb ist es also keine Frage, ob man seinen Widerstand gegen die SOKO auf die Straße tragen sollte, sondern ein Muss!

Was ist von der „SIKO“ 2020 zu erwarten und was plant ihr/der Widerstand?

Selbstverständlich wird es auch dieses Jahr wieder eine zentrale Großdemo gegen die SIKO geben und wir rufen alle Menschen auf, gegen das Treffen der imperialistischen Macher und ihrer Büttel auf die Straße zu gehen, um der Welt zu demonstrieren, dass deren Treiben nicht widerspruchslos hingenommen wird!
So wie die herrschende Klasse Tag für Tag daran arbeitet, sich alles untertan zu machen, so dürfen auch wir nicht nur an ausgewählten Gipfeltagen sichtbar werden. Deshalb sollen alle schon im Vorfeld aktiv werden. Der Phantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Besser aber ist es, sich in einen gemeinsamen organisatorischen und, wenn möglich, inhaltlichen Rahmen zu stellen. Es geht darum, als revolutionäre Linke wieder verstärkt in die gesellschaftliche Debatte einzugreifen und mehr Wirkungsmächtigkeit zu erlangen. Das können wir nur gemeinsam und solidarisch! Deshalb muss es den politischen Willen zur Kooperation geben.
Unterstützt den gemeinsamen Aufruf, klebt die Demoplakate, leistet euren Beitrag zum Aktionstag am 1. Februar, dokumentiert Eure Aktionen! Macht Infoveranstaltungen und informiert Freunde und Bekannte über die SIKO! Mobilisiert zur Demo!
Wir haben hoffentlich deutlich machen können, warum die SIKO nicht störungsfrei über die Bühne gehen darf.
Sorgt mit dafür, dass die Demonstration am Samstag, den 15.2.2020, in München machtvoll und für die ganze Welt sichtbar wird!

Kampf der imperialistischen Weltordnung!
Die SIKO 2020 in München angreifen!