Aufzeichnungen über Gefangenschaft in Brasilien

Gabriel Silva, Heloisa Yoshioka und Quilombo Invisivel

Die Ursprünge der Gefangenschaft in Brasilien

Die Gefangenschaft in Brasilien entwickelte sich im Kontext der räuberischen und sklavokratischen Ausbeutung durch die portugiesische Kolonialmacht. Diese Kolonialwirtschaft beruhte vor allem auf der Arbeit von versklavten Menschen afrikanischer Herkunft, jedoch ebenso auf der Arbeit der einheimischen Bevölkerung. Aus diesem Grund ist es bis heute unmöglich, die Struktur und Bedeutung der Gefängnisse in Brasilien vom Erbe des Sklavenwirtschaftssystems zu trennen, das auf Rassismus und räuberischer Ausbeutung durch die Kolonialmacht beruht.
Laut der schwarzen Historikerin Suzane Jardim war der sogenannte „Calabouço“ die erste staatliche Institution, welche die Merkmale der brasilianischen Gefängnisse tiefgründig beeinflusste.
Im 16. Jahrhundert erbaut, war der „Calabouço“ ein Ort, an dem die Sklavenhalter ihre Sklaven foltern lassen konnten. Oft wurde dieser Raum verwendet, um flüchtige oder ungehorsame Sklaven zu bestrafen. Der Sklavenbesitzer musste keine Beweise vorlegen, um seine Sklaven an diesem Ort bestrafen zu lassen. Es funktionierte als eine ausgelagerte Folteranstalt. Der Sklavenhalter konnte für einen gewissen Preis in Auftrag geben, das seine Sklaven mit einer bestimmen Anzahl von Auspeitschungen bestraft, oder dass sie zu einer ausgewählten Haftstrafe verurteilen werden. Oftmals sind die Sklaven, die den “Calabouço” besuchten, an der intensiven Brutalität der Bestrafung ums Leben gekommen.
Der “Calabouço” ist Teil einer Tradition der Folter und sozialer Kontrolle, dem die katholische Inquisition als grundlegendes Modell diente. Die Folter wurde von der herrschenden Klassen der Gesellschaft als notwendiges Mittel zur Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung der Sklaven verteidigt. In der ersten Verfassung Brasiliens, im Jahr 1824, wurde Folter offiziell für freie Männer abgeschafft und weiterhin wahllos gegen Sklaven eingesetzt. Im Jahr 1837 wurde der Prozess der Deaktivierung des alten „Calabouço“ eingeleitet und an seiner Stelle das “Korrekturhaus des Königreiches” gegründet. Dies war die erste Einrichtung Brasiliens, die ausschließlich für die Vollstreckung von Strafen für Verbrechen zuständig war. Zwischen 1857 und 1858 befanden sich mehr als 65% der Sklaven, die permanent im Justizvollzugshaus eingesperrt waren, unter diesen Bedingungen, weil sie Capoeira (eine brasilianische Kampfsportart; Anm. d. Red.) praktizierten, geflüchtet sind oder zwecks Bestrafung verurteilt wurden.
Unsere Absicht ist es nicht, die Geschichte der Gefängnisses in Brasilien im Detail darzustellen. Wir möchte zeigen, dass die heutigen Masseninhaftierungen in Verbindung mit den historischen Geschehnissen stehen und somit das Erbe der Sklaverei sind. Die Haft, Folter, brutale Ausbeutung und Zerstörung des schwarzen oder indigenen Körpers sind Phänomene, die tief mit den Praktiken der herrschenden Eliten und die Ideologie, die in der brasilianischen Gesellschaft vorherrscht, verwurzelt sind und beide ihren Ursprung in der Kolonialisierung finden.

Der Beginn der Organisierung und des Kampfes gegen die Gefangenschaft in Brasilien: Die Vereinte Schwarze Bewegung in der Geschäfts-militärischen Diktatur.

Am 7. Juli 1978, inmitten der Militär-Diktatur, wurde die Einheitliche Schwarzen Bewegung (MNU) während einer Demonstration vor dem Stadttheater von São Paulo gegründet. In den Protesten, die sich gegen Gewalt und Rassendiskriminierung richteten, war der Tod von Robson Silveria da Luz, ein Markthändler aus der Ostzone São Paulos, der Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte. Robson wurde beschuldigt, im Dienst Obst gestohlen zu haben. Die Polizei nahm ihn fest und brachte ihn zur Guaianazes Polizeiwache. Dort ist er bis zum Tod gefoltert worden. Solche Situationen sind leider keine Neuigkeit im Kontext der brasilianischen Polizei, weder damals noch heute, aber genau deswegen ist die damalige Mobilisierung der Schwarzen Bewegung um den Fall von Robson so emblematisch gewesen.
Zu der Zeit existierte eine breit gefächerte linke Bewegung für die Freilassung, gegen Folter und Mord der sogenannten „politischen Gefangenen“. Die politische Repression hatte 1975 den Journalisten Vladimir Herzog getötet und darüber hinaus wurden hunderte von Studenten*innen, Arbeiter*innen, politische Aktivist*innen und viele Weitere auf Grund des Gesetzes der Nationalen Sicherheit der Diktatur verfolgt. Im Falle von Robson wurde er nicht als „politischer Gefangener” angesehen, sondern als ein „üblicher“ Fall.
Verbunden mit der Schwarzen Bewegung (MNU), gab es noch eine Organisation für Gefangene, welche Kampf-Zentrum der Enkel von Zumbi (Centro de Lutas Netos de Zumbi) hieß. Diese Gruppierung bestand aus Inhaftierten des Carandiru-Gefängnisses. Während des Gründungsaktes des MNUs wurde ein Brief von ihnen vorgelesen, in dem sie die ungesunden und unmenschlichen Bedingungen, in denen sie lebten, die Folter und Ermordung, der sie ausgesetzt waren sowie den strukturellen Rassismus der Justiz und des ganzen Gefängnissystems anprangerten. Mit dieser Analyse ist klar geworden, dass die „üblichen“ Gefangenen ebenfalls als “politische” Gefangene betrachtet werden müssen. Damit eine effektive Mobilisierung der Linken für politische Rechte stattfinden konnte, musste es einen Kampf gegen das ganze Justizsystem geben.
Es ist wichtig, die militante Position der MNU zu erwähnen, die zu keinem Zeitpunkt die falsche moralistische Frage aufwirft und beurteilen will, ob Robson es verdient hat, gefoltert und getötet zu werden, weil er angeblich ein Verbrecher ist. Die Frage über die Unschuld von Robson stand innerhalb der MNU nie zur Diskussion. Ob das Obst gestohlen wurde oder nicht, Robson hätte niemals dafür gefoltert und getötet werden sollen. Kein Eigentumsdelikt sollte das Leben eines Menschen kosten. Nichtsdestotrotz unterschied die Mehrheit der brasilianischen Linken zwischen den Gefangenen, die eine solche Behandlung verdienten, und den „politischen Gefangenen“, die aus edleren Gründen verfolgt wurden, was die Ungerechtigkeit der Situation verstärkt.
Intellektuelle der MNU sowie Lélia Gonzalez und Clóvis Moura haben gezeigt, wie das Gefängnis-System, die Folter-Praktiken und Ermordungen durch Agenten vom Staat, in direkter Verbindung zu sklavokratischen Methoden der herrschenden Klasse steht
Die Inhaftierung dient also nur dazu, diese Klassenherrschaft und Rassendiskriminierung aufrechtzuerhalten, da sie keine positive soziale Funktion für Schwarze und Arbeiter erfüllt und die Diskurse verfälscht, dass das Gefängnis die Sicherheit erhöhen oder den Gefangenen für das Leben in der Gesellschaft rehabilitieren würde oder eine Wiedergutmachung für die durch das Verbrechen Geschädigten bringe.
Im Gegenteil, das Strafsystem verstärkt weiterhin die Gewalt, zerstört Leben und stärkt die Kriminalität.
Auf dem Banner des MNUs steht, dass „jeder Gefangene (…) ein politischer Gefangener” ist. Der Spruch bleibt aktuell und hat an Gewicht gewonnen in diesem historischen Moment, in dem das Militär durch den Wahlsieg des neofaschistischen Präsidenten Jair Bolsonaro die Kontrolle über die brasilianische Bundesregierung zurückerlangt hat.

Die Redemokratisierung und die Masseninhaftierung

Die Masseninhaftierung ist eine Politik, welche die brasilianische Demokratie kennzeichnet. Die sogenannten demokratischen Freiheiten wurden in unserem Land nur durch eine Verstärkung der repressiven Politik gegenüber den ärmsten Bevölkerungsgruppen, Schwarze, Indigene und Marginalisierte akzeptiert.
Seit dem Beginn der neuen Republik im Jahr 1990 ist die Zahl der in Brasilien inhaftierten Personen von 90.000 bis ins Jahr 2016 auf 726.000 gestiegen. Tendenz weiter steigend.
Das Gefängnis wurde zu einem Lagerhaus für Körper, die unsere herrschende Klasse als überflüssige Bevölkerungsgruppe ansieht: Schwarze, Indigene, Arme, Kranke und Wandernde.
Die Realität der Gefängnisse in Brasilien ist heutzutage eine direkte Fortsetzung der dunkelsten Praktiken unserer Geschichte: angefangen von der Sklaverei über die geschäftlich-militärischen Diktaturen bis hin zu den Völkermorden an der schwarzen und indigenen Bevölkerung.
Die Kämpfe gegen die Gefangenschaft sind Kämpfe für eine vollständige Abschaffung von Gefängnissen, um das gesamte Erbe des Sklavensystem zu entfernen.
Dieses Vermächtnis ist in den Strukturen des Staates verwurzelt. Diese Strukturen sind von rassistischen, eugenischen und hygienischen Ideologien geprägt und führt zur Kriminalisierung und Ausrottung der schwarzen und indigenen Bevölkerung.
Das Strafvollzugssystem ist das Labor für Gewalt- und Repressionsexperimente der brasilianischen Regierung. Es ist ein Ort, an dem Folter noch immer üblich ist und an dem der schwarze und arme Körper die Laborratte ist. Laut einer Studie der nationalen Erhebung über Strafvollzugsinformationen (Infopen) des Justizministeriums haben in Brasilien 75% der Gefangenen die Grundschule abgeschlossen und nur 1% einen höheren Bildungsabschluss. Das deutet auf das niedrige Einkommen und die schlechten Lebensbedingungen hin. Schwarze machen mindestens 60% der inhaftierten Bevölkerung aus, während Weiße 37,22% ausmachen. Die schwarze Bevölkerung ist im Verhältnis zu ihrem realen Anteil (51%) in der brasilianischen Gesellschaft stark im Gefängnis repräsentiert.
In Bezug auf die Anschuldigungen wurden 28% der Insassen wegen Drogenhandels, 25% wegen Raubüberfalls, 13% wegen Diebstahls und 10% wegen Mordes festgenommen. Betrachtet man diese Zahlen bei den weiblichen Gefangenen, so wurden 64% wegen Drogenhandels verhaftet, 10% wegen Raubüberfällen, 9% aufgrund von Diebstahl und 6% wegen Mord.
Darüber hinaus befinden sich 40% der Gefangenen in einer provisorischen Haftanstalt. Das heißt, sie haben noch nicht einmal das erste Gerichtsverfahren durchlaufen und befinden sich somit in einer illegalen juristischen Situation. Diese Daten zeigen, dass der größte Anteil der Gefangenen in Brasilien aufgrund von Eigentumsdelikten verhaftet wurde und nicht aufgrund von Gewalttaten. Diese Zahlen sprechen gegen den Mythos der gewaltsamen Kriminalität und zeigen die starke klassizistische Qualität von Gefängnissen: Orte, die dazu dienen, das Eigentum einer Minderheit zu garantieren, anstatt das Leben der Mehrheit, deren Rechte nicht respektiert werden.
Das brasilianische Gefängnissystem ist auch durch die allgemeine Überfüllung gekennzeichnet, was unhygienische Lebensbedingungen hervorbringt. Die Gefängnisse sind heute ein Ort mit hoher HIV-Infektionsrate, Tuberkulose und Virushepatitis. Die Überfüllung ist der Hauptgrund für die wiederkehrenden Rebellionen und Massaker. Offiziell beträgt das Platzdefizit für Gefangene 358.680, in einer Welt bestehend aus 726.000 Gefangenen. Die Studie selbst erkennt die Überfüllung der Gefängnisse als strukturelles Merkmal an, weil sie offiziell doppelt so viele Gefangene hat, wie sie sollte.
Anhand dieser Daten können wir auch erkennen, dass das Gefängnissystem hauptsächlich Menschen betrifft, die nicht einmal Zugang zu ihren Grundrechten wie Bildung, Gesundheit und angemessenem Wohnraum hatten. Wenn sie dann verhaftet werden, sind sie noch mehr Rechtsverletzungen ausgesetzt: Sie verfügen nicht über ein ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren und haben keine guten juristischen Verteidigungsmöglichkeiten, sie sind degradierenden Situationen wie Folter und Krankheit ausgeliefert ohne einen Zugang zu Gesundheit und Bildung. Diese Situation bekräftigt den klassizistischen und politischen Charakter der brasilianischen Gefängnisse und zeigt, dass das Ziel darin besteht, ein System der Ausbeutung und Aufrechterhaltung sozialer Abgründe zu reproduzieren und nicht die Bekämpfung von Gewalt.

Politik der Masseninhaftierung: Ein Konsens der heutigen parteiischen Politik in Brasilien

In Brasilien es ist nicht nur der Rechtsstaat, der repressive Politiken und die Masseninhaftierung durchsetzt. Die brasilianische Linke ist auch überrascht worden, durch den Wahlsieg von Jair Bolsonaro und seinen Diskurs von Repression, Justizialisierung der Politik, Ausrottung der politischen Feinde, Unterstützung von Folter und Militarismus. Dennoch sollte man nicht vergessen, dass auch die Arbeiterpartei (PT) Komplize und aktiver Unterstützer der Entwicklung solche Praktiken in Brasilien gewesen ist.
Die Aktion der Partisanen-Linken in Bezug auf Gefängnisse beschränkt sich auf die Mobilisierung ihrer Stützpunkte, begleitet von einer oberflächlichen Kritik an die Inhaftierung des Ex-Präsidenten Lula und ohne eine tiefere Debatte voranzutreiben über unser Rechts- und Gefängnissystem, wie die Masseninhaftierung und den Genozid an armen, schwarzen, indigenen Völkern sowie die marginalisierte Bevölkerung.
Bestenfalls betrachten die radikaleren Sektoren der Linken das Thema als zweitrangig, so dass echte Auseinandersetzungen damit spezifischen Gruppen von schwarzen Menschen, Familienangehörige von Gefangenen und Anwalt*innen überlassen wird.
Das PT-Regime spielte eine führende Rolle bei der Steigerung der Masseninhaftierung: Sowohl die Regierung von Luiz Inácio Lula Da Silva (2003-2006 und 2007-2010), als auch die von der Präsidentin Dilma Rousseff (2011-2014 und 2014-2016), intensivierten und perfektionierten die von ihrem Vorgänger eingeleitete Expansionspolitik im Strafvollzug.
Mit der “wissenschaftlichen” Legitimation der Soziologie der Gewalt an der Universität von São Paulo (USP), wurde die Anzahl der Gefangenen in Brasilien unter der Regierung von Fernando Henrique Cardoso (1995-1998 und 1999 – 2003) mehr als verdoppelt. Daraufhin gründeten die PT-Verwaltungen unter Berücksichtigung der „Bürgerbeteiligung“ an der Politik der öffentlichen Sicherheit das „Gesetzespaket für die öffentliche Sicherheit“, dadurch stieg die Zahl der Gefangenen von ca. 232.000 im Jahr 2002 auf ca. 420.000 im Jahr 2008 und bis zum Ende der ersten Amtszeit von Dilma Rousseff im Juni 2014, bis auf 607.731 Gefangene
Die PT- Partei hat während ihrer Regierungszeit eine Politik der Repression und Bestrafung weitergeführt und vertieft, sie entwickelte Strategien zur Intensivierung des Drogenkrieges, finanzierte den militärischen Einsatz Brasiliens in Haiti, führte große interne und repressive Raubzüge mit der Nationalgarde durch, führte die Pazifistischen Polizeieinheiten (UPP) und das Anti-Terror-Gesetz ein und steigerte die Unterdrückung und Repression sozialer Bewegungen.
Durch die institutionelle Stärkung wurden die rückständigeren Teile des Militärs und der Justiz gefördert und das durch die PT, diese Stärkung war so groß, dass sie sich jetzt gegen die Verhaftung des ehemaligen Präsidenten Lula und anderer PTT-Kader wendet.
Der Film „Law and Order Assurance Operations“ (Julia Murat, 2017, verfügbar auf https://vimeo.com/226910664) zeigt den Zusammenhang zwischen repressiver Rede gegenüber sozialen Bewegungen, die Verstärkung polizeilicher Maßnahmen und der Justiz durch die Politik von Dilma Rousseff gegen die Volksdemonstrationen. Vor allem nach der Eröffnungsrede zur Verteidigung der Ordnung von ihrem Vizepräsidenten Michel Temer 2013, der ihre Amtsenthebung provozierte.

Die Realität der Gefangenschaft: Rebellionen, Massaker, Schlachtung und Privatisierungen

Diese jüngste Periode ist durch wiederholte Aufstände und Massaker im brasilianischen Gefängnissystem gekennzeichnet. 1990 kam es zu den Aufständen und Massakern in Carandiru, bei denen der Staat 111 Gefangene ermordete, was große nationale und internationale Auswirkungen hatte.

In den 2000er Jahren kam es erneut zu einer Reihe von Massakern im Gefängnissen:

  • Das Massaker von Papuda, in Brasília im Jahr 2000, mit 11 Toten.
  • Der Megaaufstand in 29 Gefängnissen des Bundesstaates São Paulo im Jahr 2011, bei dem mindestens 16 Tote und Hunderte von Verletzten zu beklagen waren.
  • Die Schlachtung in Porto Velho Gefängnis im Bundesland Roraima im Jahr 2002, mit 27 Toten.
  • Das Gemetzel im Gefängnis des sogenannten „Gewahrsam-Haus“ in Benfica in Rio de Janeiro im Jahr 2004, durch Brandstiftung starben 30 Menschen.
  • Die Schlachtung in Gefängnissen von Pedrinhos in Sao Luis do Maranhao im Jahr 2010 mit 18 Toten.
  • Die Rebellionen in mehreren Gefängnissen in Fortaleza im Bundesland Ceará im Jahr 2016 mit 14 Toten.
  • Der Aufstand im Landwirtschaftsgefängnis Monte Cristo im Jahr 2016, bei dem 10 Menschen starben.
  • Die Rebellion des Gefängnisses innio dos Santos Pinheiro in Porto Velho im Jahr 2016, bei der 8 Menschen starben.
  • Die Gefängnisaufstände von Manaus im Amazonasgebiet im Jahr 2017, bei denen 60 Menschen starben.
  • Und die jüngsten Aufstände in Manaus im Jahr 2019, bei denen 55 Menschen starben.

Diese letzten Massaker in Manaus ereigneten sich in privatisierten Gefängnissen unter der Kontrolle der Firma Umanizzare. Soziale Bewegungen prangern die unmenschlichen Bedingungen an, in denen die Gefangen leben müssen. Laut dem Bund “Front gegen die Gefangenschaft von Sao Paulo”, sowohl vor als auch nach dem Massaker:

“Die Mahlzeiten werden nur zweimal am Tag verteilt, das Wasser wird nur für 10 bis 20 Minuten am Tag zur Verfügung gestellt, die Überfüllung – 60 Gefangene pro Zelle – hält an, die Aggressionen der Wärter sind täglich – Pfeffer und Schlagstöcke.
Am 17. und 18. Juni mussten die Häftlinge im UPP-Gefängnis zwei Tage ganz ohne Essen ausharren, einige Gefangene waren gezwungen, Rasierapparate mit HIV-positiven Gefangenen zu teilen. Die Überfüllung hat einem Punkt erreicht, das Gefangene mit ansteckenden Krankheiten die Zellen mit gesunden Gefangenen teilen müssen, weil kein Platz für abgesonderte Räume existiert.”

Laut der seelsorgerischen Betreuung der Gefängnisse „sammeln sich Familien an den Eingängen der Gefängnisse, um eine Nachricht zu bekommen, als Gerüchte über Todesfälle kursierten, und erhielten genau dort eine Liste mit Namen und die Information, dass alle, die sich auf dieser Liste befanden, gestorben sind und Besuche sind auf unbestimmte Zeit ausgesetzt“. Die Zahl der schwer Erkrankten und Verwundeten in den Gefängnissen ist klar.
Das ist die Realität, diesen gefährlichen Lebensumstände sind hauptsächlich Schwarzen und Nachkommen der Ureinwohner ausgesetzt. Mit dieser extremen Überlebensroutine wird das Gefängnis zu einem Pulverfass für Aufstände und Massaker. Die Tatsache, dass in den Jahren 2017 und 2019 Massaker stattfanden, zeigt, dass Umanizzare seine Politik in keiner Weise geändert hat und dass diesbezüglich kein staatlicher Druck ausgeübt wurde.
Die Tendenz zur Privatisierung von Gefängnissen nimmt im ganzen Land zu, inspiriert von den USA. Die Zwangsarbeit in privatisierten Gefängnissen verschlechtert nicht nur die Lebensbedingungen der Gefangenen und die Gewalt, sondern führt auch zu dem, was die US-amerikanische Autorin Angela Davis als Gefängnis-Industrie-Komplex bezeichnet, was die Tendenz zur Masseninhaftierung erhöht..

Der Klassenkampf und die Gefangenschaft heute: solange man gefangen ist, werden alle gefangen bleiben!

Die Banalisierung der Gefangenschaft, die Folter und die summarische Hinrichtung von schwarzen, indigenen, armen und marginalisierten Menschen ist eine unheimliche Gefahr, die historisch über den gesamten Klassenkampf in Brasilien schwebte. Eine Gesellschaft, die jeden Tag akzeptiert, dass ihre marginalisierte Bevölkerung so behandelt wird, toleriert die brutale Unterdrückung jeglicher Protest- oder Aufstandsbewegung viel leichter. Wie Marx sagte: „Der weiße Arbeiter kann sich nicht emanzipieren, wo der schwarze Arbeiter mit glühendem Eisen gebrandmarkt ist.“ Der Kampf gegen die Gewalt des rassistischen Staates ist eine dringende Notwendigkeit, um Fortschritte bei der Stärkung des Klassenkampfes insgesamt zu erzielen.
In Brasilien wurde in den 1970er Jahren erste Erfahrungen, durch die Schwarzenbewegung (MNU), zur Organisierung des Kampfes gegen das Gefängnissystem gemacht. Nach der geschäftlich-militärischen Diktatur in den neunziger Jahren kam es in Brasilien zu einem Aufschwung der Hip-Hop-Kultur. Rap-Gruppen erzählten in ihren Songs über die grausame Realität des Gefängnisses und führten diese Kritik zum ersten Mal einem breiteren Publikum vor. Gruppen wie Racional MCs, Sabotage, SNJ, Ghetto Soundtrack, Central Faction und die Carcerária Community Group, die von den damaligen Häftlingen des Carandiru-Gefängniskomplexes gegründet wurden. Mitglieder der Prisoner Community-Gruppe waren an der Produktion des Films „Iron Grat Prisoner“ (Selbstporträts) beteiligt, der ebenfalls ein wichtiger Meilenstein in dieser Zeit in Bezug auf das Thema ist.
Trotzdem hat der Kampf nachgelassen und erst heute erleben wir einen neuen Aufstieg von Organisationen, die sich diesem Problem stellen. Wir zählen einige der Organisationen auf, die heute am bekanntesten für den Umgang mit Gefängnissen sind: Prison Pastoral (national), Amparar (SP), Mütter im Mai (SP), Netzwerk der Gemeinschaften gegen Gewalt (RJ), Reaja (BA) , die Gruppe von Freunden und Familienangehörigen, denen die Freiheit entzogen wurde (MG), die MNU selbst und in jüngerer Zeit die Staatsfronten für die Inhaftierung von Rio de Janeiro, São Paulo und mehreren anderen Staaten (es gibt sie heute in mindestens acht Bundesstaaten in Brasilien).
Darüber hinaus, ist der Zuwachs im Anti-Kriminalisierungkampf verbunden mit dem Kampf gegen die Gefangenschaft, weil der Drogenkrieg einer der Hauptgründe für die Masseninhaftierung heutzutage ist, besonders für Frauen. Der Marihuana-Marsch, das wichtigste Symbol für den Kampf gegen das Verbot von Marihuana in Brasilien, tausende junger Menschen aus der Peripherie versammeln sich jedes Jahr in Sao Paulo und fordern die Entkriminalisierung von Drogen. Im Jahr 2019 haben sich fast eine Million Menschen versammelt, laut Organisatoren. Obwohl die Marihuana- Bewegung heute der größte Protest der Schwarzen in Brasilien ist, bemühen sich die Massenmedien leider immer noch, ihn unsichtbar zu machen. Im Jahr 2019 gab es 39 Cannabis-Märsche in verschiedenen Städten Brasiliens, einschließlich der Hauptstädte des Landes.
Im Kampf gegen die Gefangenschaft sind auch international finanzierte Nichtregierungsorganisationen wie das Earth, Labour and Citizenship Institute (ITTC), das brasilianische Institut für Kriminalwissenschaften (IBCCRIM) und Conectas Human Rights beteiligt.
In den USA und einigen anderen Ländern erleben wir ebenfalls einen Moment der Verstärkung des Kampfes gegen die Massenhaft. Es ist wichtig, den Dialog mit internationalen Erfahrungen zu verstärken, um diesen Kampf voranzutreiben.
In den USA und einigen anderen Ländern erleben wir ebenfalls einen Moment der Verstärkung des Kampfes gegen die Masseninhaftierung. Es bleibt weiterhin essentiell einen Dialog mit internationaler Erfahrung zu führen um diesen Kampf zu intensivieren.
Die Tätigkeit der oben genannten Organisationen ist äußerst wichtig und muss gestärkt, untersucht und erweitert werden.Es reicht jedoch nicht aus, um sich dem Staat zu stellen und bedeutendere Erfolge zu erzielen. Der Repressionspolitik des Staates mit seinen Inhaftierungen kann nur begegnet werden, indem eine breite Debatte geführt und die unterschiedlichsten sozialen Akteure mit einbezogen werden.

Nur mit einer Massenbewegung, mit Solidarität unter den breiten Sektoren der Arbeiterklasse – einschließlich derjenigen, die sich noch nicht direkt von den Gefängnissen bedroht fühlen – können wir einen wirklichen Fortschritt bei der Enthaftung, Demilitarisierung, Beendigung der Folterpraxis und mit dem strukturellen Rassismus erreichen. Um im Kampf gegen die Inhaftierung voranzukommen, muss die Selbstverteidigung aller Unterdrückten und der Arbeiterklasse vorangetrieben und die Kämpfe auf eine neue Ebene gehoben werden.

Quelle: http://depen.gov.br/DEPEN/noticias-1/noticias/infopen-levantamento-nacional-de-informacoes-penitenciarias-2016/relatorio_2016_22111.pdf