[Debatte] Zur offensiven Antirepressionsarbeit oder die Repolitisierung unserer Kämpfe

Solidarisch Kämpfen!

Die Anti-Repressionsarbeit zu G20 wird eher von Reformismus und Serviceleistungen dominiert, was zur Folge hat, dass diese Strukturen auch juristisch und damit politisch die Verfahren bestimmen! Beide Strömungen haben zwar seine Berechtigung, stehen aber konträr zu unseren Vorstellungen einer offensiven Antirepressionsarbeit. Wir wollen zusammen mit den Gefangenen die Verfahren bestimmen, denn es ist unsere Politik und Identität, die da abgeurteilt werden soll!

Was heißt offensive Antirepressionsarbeit?

Wir bezeichnen offensive Antirepressionsarbeit als Repolitisierung der Anti-Repressionsarbeit und damit unserer Kämpfe insgesamt!
Für den Kurswechsel sind folgende Fragen zu klären:
Wollen wir unsere Ketten verlieren?
Oder sind uns Beziehung, Job und Szenenischen/Freiräume wichtiger, also das auf Grund dessen der Fight für Befreiung nicht so konsequent geführt wird?
Warum gibt es so wenig Solidarität zu den §129b-Gefangenen?
Die davon betroffenen türkischen und kurdischen Gefangenen haben viel härtere Knastbedingungen und Haftstrafen als die G20-Inhaftierten und wehren sich häufig.
Wie weit ist das Verhalten der BRD-Linken somit eurozentristisch und anti-kommunistisch?

Bestandsaufnahme der G20 Prozesse

Zur Zeit führen die Gefangenen kaum politisch offensive Prozesse. Vor 25 Jahren hat sich das letzte Gefangenenkollektiv der Gefangenen aus RAF und des anti-imperialistischen Widerstands aufgelöst. Für die heutigen Weggesperten gibt es daher keine fassbaren positiven Erfahrungen und Orientierungen mehr, wie gemeinsam Widerstand im Knast und im Prozess möglich ist. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die NO G20-Gefangenen vereinzelt und defensiv gegenüber dem Justizapparat agieren, was auch zur Folge hatte, das es daher von Vielen zu Einlassungen und Distanzierungen gekommen ist.
Es geht dabei nicht um Moralisieren und Schuldzuweisung. Wir denken, dass das alles noch mal diskutiert werden sollte, unter uns und mit den Betroffenen – und wir verweisen auf die Gefangenen aus der RAF, die sich durchweg anders verhalten haben.
„Der Kampf hört auch im Gefängnis nicht auf, die Ziele ändern sich nicht, nur die Mittel und das Terrain, auf dem die Auseinandersetzung (…) weiter ausgetragen werden, (…)“
(Hungerstreikerklärung der Gefangenen aus der RAF von 1981)
Kurzum wir begreifen den Knast auch als weiteres Feld des Klassenkampfs, der auch unter erschwerten Bedingungen geführt werden kann. Von den No-G20 Gefangenen haben sich u.a. Fabio, Peike und Loic kämpferisch verhalten.

Die G20-Proteste

In der ersten Woche des Juli 2017 gelang es, diesen G20-Gipfel der Herrschenden in Hamburg, der weiterhin dafür sorgt, dass 8 Menschen ebenso viel besitzen wie 3,7 Milliarden, durch zahlreiche unterschiedliche Aktionen und bis zu 100 000 Demonstrant*innen aus dem In- und Ausland zu stören und somit politisch teilweise als Ganzes in Frage zu stellen.
Die aber die darauf einsetzende Repression samt Medienhetze des mächtigsten Staates der EU schreckte ab. Hinzu kam, dass für Viele der G20 nur als ein Event betrachtet und damit wieder schnell zur kapitalistischen Normalität übergegangen wurde.
Für die Mächtigen war der temporäre Verlust der Kontrolle über das Geschehen im Sommer aber politisch nicht hinnehmbar, so dass sie auf umfassende Vergeltung setzen.
Diesen staatlichen Rachefeldzug sind vor allem die Gefangenen als Geisel ausgesetzt. Hinzu spielt Abschreckung für alle Kämpfenden eine Rolle:
Wenn ihr wieder auf die Straße geht, schlagen wir gnadenlos zurück!
Scholz, der sich als ehemaliger Bürgermeister der Hansestadt und jetziger Bundesfinanzminister für diesen G20-Gipfel stark gemacht hatte, forderte danach eine konsequente Strafverfolgung!

Wie reagieren wir auf die Repression?

Unsere Reaktionen auf die Unterdrückung sind eher defensiv: Wir agierten oft in dieser Auseinandersetzung wie Jurist*innen oder wie Menschenrechtsgruppen.
Wir sind weder das Eine noch das Andere, wir haben den Anspruch, Sand im Getriebe, Stachel im Fleisch zu sein! Wir betrachten uns als die revolutionäre Linke, wollen den Umsturz, nicht morgen, sondern heute!
Also muss offensive Antirepressionsarbeit angestrebt werden, was nicht einfach ist, aber objektiv und subjektiv notwendig ist!

Woher kommen wir?

Wir beteiligen uns an der Arbeit zu Repression gegen die G20-Kämpfe von Anfang an. Kommen selber aus unterschiedlichen Zusammenhängen, die sich als autonom, anti-imperialistisch und internationalistisch definieren.
Wir haben uns im Frühjahr 2019 als Gruppe „Solidarisch Kämpfen“ innerhalb von „United We Stand“ organisiert, um unsere eigene Vereinzelung dort zu überwinden und somit handlungsfähiger und stärker zu werden.

Gegen wen zielt die Unterdrückung?

Die Cops wollen generell unsere Veranstaltungen, Demos, Zentren usw. plattmachen, damit hier endgültig Friedhofsruhe herrscht.
Diese Strukturen sind für uns alle existenziell, denn sie sind die Basis für unsere Kommunikation und Artikulation!
Damit die Herrschenden ihre Kriege ungestört führen können, benötigen sie die Ruhe im Inneren.
Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt meinte in der FAZ vom 21.1.75.: „Im Hinblick auf das atlantische Bündnis muss jedes Land im Auge behalten, dass es innenpolitisch fähig bleibt, seine außenpolitische Verpflichtungen zu erfüllen.“
„Auf Grund dieser außenpolitischen Verpflichtungen stirbt alle 5 Sekunden auf diesen Planeten ein Kind,“ erklärte der wegen §129b eingesperrte Erdal Gökoğlu in seiner Abschlusserklärung vor dem OLG Hamburg am 6.6.19. Er ist inzwischen zu 5 Jahren Knast verurteilt.
Oft wird von uns die Frage gestellt, warum reagiert dieser Staat mit seinem ganzen Arsenal an Repression, obwohl die radikale Linke auch schon mal stärker war, denn viele bewaffnete und militante Zusammenhänge aus den siebziger und achtziger Jahren gibt es hier nicht mehr.
In dem 1971 erschienen Buch „Im Vorfeld des Krieges“ schreibt Frank Kitson, damaliger Kommandant der 2. Rheinarmee in der BRD: „Subversion und Aufruhr gegenwärtiger Formen der Kriegsführung sind, auf die sich die Streitkräfte sich einstellen müssen.“ Kitson verfügte über Erfahrungen in der Unterdrückung von Befreiungskämpfen in der 3. Welt sowie auch in Nordirland. Unter Subversion verstand er nicht nur Aktionen von bewaffneten Gruppen, sondern auch legale Aktionen von unbewaffneter Bevölkerung, die versucht die Regierung zu stürzen, „oder diese gegen ihren Willen zu bestimmten Handlungen zu zwingen.“ (Zitiert aus Bakker Shut Stammheim, Seite 181/182.)
Wollen wir uns mit ihrer aufgezwungene Ruhe abfinden? Entspricht die heutige Situation unserer Vorstellung von Frieden? Können wir so leben?
Nein!!!
Wollen wir nicht unseren Krieg gegen ihren führen, um ein Zustand ohne Hunger und Not für alle zu ermöglichen?
In über 20 Länder gibt es inzwischen Bundeswehrsoldaten und gleichzeitig wird auch der Krieg nach innen forciert. Folglich kommt es auch an der „Heimatfront“ zu Widerstandsbekämpfung gegen soziale und politische Rebellion.

Zurück zu den Kämpfen 2017

Erfolgreiche Aktionen, die nur möglich waren, da diese unterschiedliche Interventionen auf Solidarität und Kollektivität basierten. Die Herrschenden wollen das zukünftig verhindern, weil sie befürchten das solche Auseinandersetzungen zur alltäglichen Praxis werden könnten.
Wir agieren hier in der BRD, im Herzen der Bestie, gegen einen scheinbaren allmächtigen Feind, der sein ganzes Arsenal an Überwachung, Abschreckung, Kriminalisierung, Repression und Integration einsetzt.
Doch all diese Unterdrückungsmaßnahmen konnten nicht verhindern, die auch schon im Vorfeld des Gipfels einsetzen, dass es uns später im Juli 2017 gelang, den G20-Gipfel in Hamburg durch zahlreiche unterschiedliche Initiativen und bis zu über 100.000 Demonstrant*innen zu stören und somit politisch als Ganzes in Frage zu stellen.
So konnte die Trump-Gattin und Merkels Ehemann nicht zu ihrer G20-Sause fahren, da ihre Sicherheit nicht garantiert werden konnte.

Probleme von praktischer Solidarität

Es gibt zarte Ansätze von gemeinsamen Agieren z.B. bei Knastkundgebungen von unterschiedlichen Spektren wie z.B. in Hamburg. Dort finden gemeinsame Aktionen monatlich vor dem Untersuchungsgefängnis statt, wo zur Zeit neben dem No-G20-Aktivisten Loic Schneider auch zwei Gefangene Erdal Gökoğlu und Musa Aşoğlu wegen §129b (Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland) inhaftiert sind.
Es ist aber offensichtlich, dass das Zusammenkommen zwischen einheimischen und migrantischen Linken schwierig ist. Fakt ist, dass sich zu den No-G20-Verfahren mehr Menschen verhalten als zu §129b-Verfahren,obwohl die davon betroffenen türkischen und kurdischen Gefangenen viel härteren Knastbedingungen und Haftstrafen ausgesetzt sind als die G20-Inhaftierten. Zusätzlich verhalten sich diese migrantischen Gefangenen oft offensiver.

Was sind die Ursachen?

Die deutschen und migrantischen Linken haben einen unterschiedlichen kulturellen und ideologischen Hintergrund. In den alltäglichen Auseinandersetzungen haben sie wenig miteinander zu tun und beide Zusammenhänge bleiben daher lieber unter sich, statt sich miteinander auseinanderzusetzen.
Es gibt gegenseitige Vorwürfe, wie Dogmatismus oder „Märtyrerkult“ auf der einen Seite, auf der anderen Seite Anti-Kommunismus und Eurozentrismus. Fakt ist, solange nicht gemeinsam darüber geredet wird, klärt sich nichts. Gerade im Kampf gegen die Repression ist es wichtig, gemeinsam den Schlägen des Klassenfeinds zu begegnen. Da sollten die ideologischen Differenzen erst einmal sekundär sein, d.h trotz der bestehenden politischen Unterschiede sollte eine gemeinsame Front gegen die Klassenjustiz möglich sein.
Doch wie sind die Differenzen und die Spaltungen, die eine gemeinsame Praxis behindern, zu klären? Aus eigener Erfahrung wissen wir, das Klärung, wenn sie gewollt ist, nur durch gemeinsames Reden möglich ist. Der Schlüssel zum Zusammenkommen ist also die Kommunikation, die dann die Basis für eine gemeinsame Praxis sein kann.
Es geht in den Auseinandersetzungen natürlich nicht nur um die „große Politik“, sondern auch um die Vermittlung der Vorstellungen und Werte, die das gesamte Leben ausmachen: Arbeit, Wohnen, Beziehungen, Kultur …
Intensivieren wir also die gemeinsame Arbeit zu diesen Gefangenen. Sehen wir das als Chance zum Zusammenkommen. Nebenbei bemerkt, es geht dabei nicht um deren Freiheit, sondern auch um die Unsere! Jeder Erfolg ist immer auch ein Sieg für uns alle über die stärkste europäische Macht in Europa, der BRD und der faschistischen Regierung in der Türkei. Wir machen dabei die Erfahrung, diese Regierungen sind nicht allmächtig, also verwundbar.

Bilanz der Repression zu den
G20-Protesten.

Bekanntlich haben die Attacken der Bullen und Geheimdienste den Zweck, unsere Gegenöffentlichkeit wie die Internetplattform „linksunten“ oder Zentren langfristig zu kriminalisieren und damit lahm zu legen.
Wie wichtig und kontinuierlich Gegenöffentlichkeit ist, zeigt auch das Interview im Gefangenen Info 421 „30 Jahre GI“.
Authentische Infos waren und sind immer die Basis für unsere Kämpfe um Befreiung.
Ziel dieser Angriffe des Systems sind, uns alle so besser zu kontrollieren, ausbeuten und unterdrücken zu können.
Wir sind so vor allem in den reichen Staaten auf die Funktion von Konsumzombies reduziert, während in den armen Ländern des Südens Mangel an existenziellen Mittel wie Nahrung und Wasser herrscht und die Menschen dort früher sterben.
Freiheit in den reichen Staaten des Nordens (Metropolen) bedeutet daher nicht, zwischen 30 Waschmitteln zu wählen.
Oder sich zwischen legalen und illegalen Drogen zu entscheiden.
Solche Fremdbestimmtheit lehnen wir ab, weil sie den Menschen fragmentiert und zerstört.
Der Status quo bedeutet hier: Lebendig als Ware im Kapitalismus, also als Mensch zur Hülle reduziert, entfremdet vom realen freien Leben zu sein, damit also tot…
Wir wollen deshalb diesen Konsumterror und Vereinzelung durch unsere kollektiven Strukturen bekämpfen.
Z.B. wollen wir Texte nicht allein im digitalen Netz lesen und konsumieren, sondern gemeinsam reflektieren.
Dazu benötigen wir auch öffentliche Räume zum Diskutieren und Handeln. Allein oder nur in Kleinstgruppen ist das nicht oder nur beschränkt möglich.
Es geht uns um:
Wie ist Leben unter diesem menschenfeindlichen System möglich?
Wir gehen von unserem Objektstatus in diesen umfassenden imperialistischen System aus und streben die Aufhebung dieses Zustandes an, denn wir wollen siegen!
Über diese Punkte läuft langsam eine öffentliche Debatte.
Diese politische Auseinandersetzung bezieht sich nicht nur auf Anti-G20, Anti-Repressionsarbeit, sondern auf den Kampf in den Metropolen und weltweit. Wir müssen selbstkritisch anmerken, dass wir diese Debatte erst jetzt führen.
Wir denken, es war ein Fehler, diese Auseinandersetzung nicht schon früher geführt zu haben.
Einige Reaktionen zeigen schon, das unsere Initiative auf Resonanz stößt!
Dazu gibt dazu z.B. ein Papier von der RH Leipzig: „Debattenbeitrag zu Einlassungen und Distanzierungen“

Debattenbeitrag zu Einlassungen und Distanzierungen


sowie die Broschüre „Outlaw – Debattenbeitrag zu offensiven Prozessstrategien“

Outlaw


und von dem ehemaligen Gefangenen Klaus Viehmann: „To deal or not to deal“ (swing autonomes Rhein-Main Info Nr.213)

Zusammengefasst heißt das:

Wir kämpfen hier im Herzen der Bestie erst einmal als kleine radikale Minderheit!
Wir wollen aber wieder ein wichtiger Faktor für die Befreiung aller auch hier werden, um das imperialistische Zentrum zu erschüttern und zu zerstören!
Gemeinsam mit allen, die auch in anderen Ländern weltweit kämpfen!
Also wollen wir einen Kampf um Befreiung!!!!!!!!!!
Wir gehen von unserer Vereinzelung, Angst, Konkurrenzverhalten aus, von der wir alle betroffen sind, die wir nur gemeinsam überwinden können.
Darüber reden ist ein Anfang, um das zu erreichen!
„Allein machen sie dich ein“ singen wir nach Ton Steine Scherben nicht nur auf Knastkundgebungen, sondern versuchen das überall zu praktizieren!
Wir müssen die Realität im Imperialismus ticken, ohne Scham und ohne zu moralisieren! Anspruchs- und Leistungsdenken hilft da nicht weiter, denn wir sind alle von den herrschenden Verhältnissen betroffen!
Uns kotzt der Status quo hier an, hier ist kein freies Leben unter diesen Umständen möglich!

Wer nicht kämpft, stirbt auf Raten.
Freiheit ist nur im Kampf um Befreiung möglich!
Venceremos!
Solidarisch Kämpfen!