Der Terrorismus Argentiniens und der Türkei wird natürlich durch die BRD gerechtfertigt

Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen, Hamburg

Da wir im GI uns bisher wenig mit diesem lateinamerikanischen Land beschäftigt haben, gehen wir jetzt genauer auf die Situation ein. Die sozialen Kämpfe in Argentinien hatten Mitte der Siebziger Jahre stark zugenommen. Es gab Streiks und Fabrikbesetzungen, linke Guerilla-Gruppen verfügten über eine Massenbasis. Das System drohte zu kippen. Deshalb erfolgte unter Anleitung der CIA und mit finanzieller Unterstützung des US-amerikanischen State Department ein Militärputsch, der selbstverständlich auch von der BRD unterstützt wurde.
Während der Militärdiktatur von 1976 bis 1983 in Argentinien wurden über 30.000 Menschen entführt, ermordet und in zum Teil bis heute geheimen Massengräbern „entsorgt“. Davon betroffen waren auch Guerillagruppen, Gewerkschafter*innen, Intellektuelle, Geistliche und vermutliche linke Oppositionelle. Selbst die deutsche Staatsbürgerin Elisabeth Käsemann wurde vor 41 Jahren in der Nacht des 8. März 1977 in Buenos Aires in das Folterlager „El Vesubio“ des argentinischen Heeres verschleppt und galt als „Desaparecida“ (Verschwundene). Sie wurde wochenlang gefoltert und von den Militärs am 24. Mai mit vier Schüssen aus kurzer Entfernung in den Rücken und ins Genick ermordet.

Die Junta in Argentinien und die Rolle der BRD

Der Bonner Botschafter Jörg Kastl unterhielt neben dem regelmäßigen Tennisspiel mit Junta-Mitglied Admiral Emilio Massera engste Kontakte zum Militärregime und den Geheimdiensten. Er war präzise in den Putschplänen eingeweiht und informierte darüber das Auswärtige Amt.
Kastl empfahl vor dem Putsch den argentinischen Militärs, auf große Gefangenenlager zu verzichten, um die Aufmerksamkeit der Massenmedien zu vermeiden. Die argentinischen Militärs errichteten dann über 600 geheime Folterlager.
Am 22. März wurde das Auswärtige Amt durch Amnesty International über die Verhaftung von Käsemann informiert. Die positive Haltung der damaligen Regierung von Bundeskanzler Schmidt und Außenminister Genscher gegenüber den Diktaturen Lateinamerikas erklärt sich einerseits aus der Einbettung in die imperialistische Außenpolitik der BRD in der NATO. Argentinien galt als unterstützungswürdiger antikommunistischer Verbündeter. Andererseits bestimmten starke ökonomische Interessen Argentiniens und der BRD das politische Handeln:
Die Bundesrepublik Deutschland war z.B. der wichtigste Waffenlieferant Argentiniens (traditionelle Waffen und U Boote). Diese wurden in der Regel mit staatlichen Hermes–Bürgschaften abgesichert. Argentinien entwickelte das Projekt eines 70-Tonnen-Panzers (TAM: Tanque Argentino Mediano) auf der Basis des deutschen Panzers Leopard für den Markt in ganz Lateinamerika.
Ein weiteres Moment war eine unmittelbare Verflechtung der BRD-Botschaft mit dem Militärregime. Major Carlos Antonio Espanadero (Deckname „Major Peirano“) war der Verbindungsmann der BRD-Botschaft zur Militärjunta. Der Major beteiligte sich persönlich an den Menschenrechtsverletzungen der Militärdiktatur als Angehöriger der Geheimdienstorganisation „Batallon de Inteligencia 601“. Er benutzte für seine Tätigkeit auch Räume der BRD-Botschaft. Ein Polizei-Offizier war Chef der Bewachung der Botschaft und „nebenbei“ in Haftzentren im Raum La Plata tätig.
Gegen dieses Unterlassen und die Haltung der Bundesregierung gab es seit 1977 Widerstand zahlreicher Menschen in der BRD und in Argentinien. Menschenrechtsorganisationen in beiden Ländern, besonders die 1997 gegründete „Koalition gegen die Straflosigkeit in Argentinien“ in Nürnberg, kämpften für eine strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen wegen Menschenrechtsverletzungen und gegen das Vergessen.
Seit 1998 ermittelte die Staatsanwaltschaft Nürnberg in über 55 Fällen von Opfern der argentinischen Militärdiktatur. Die Rolle großer deutscher Unternehmen, wie Mercedes Benz Argentina, wurde juristisch bisher nur zu einem geringen Teil aufgearbeitet, d.h. die Verantwortlichen der Folter und Morde wurden natürlich nicht zur Rechenschaft gezogen, was unter diesen gesellschaftlichen Verhältnissen normal ist.

Verschwundene in der Türkei

Tausende Menschen aus der Türkei sind in der Haft „verschwunden“. „Nach dem Militärputsch vom 12. September 1980 erhöhte sich die Zahl verschwundener Menschen drastisch und fand ihren Höhepunkt in den neunziger Jahren in den kurdischen Gebieten im Südosten der Türkei.
Allein im Jahr 1994 verschwanden 518 Personen in Polizeigewahrsam, 408 von ihnen in den kurdischen Provinzen. Von 211 Personen wurden die sterblichen Überreste gefunden. Laut der Menschenrechtsorganisation Erinnerungszentrum (Hafıza Merkezi) verschwanden seit dem 12. September 1980, soweit man feststellen konnte, 1.353 Menschen nach ihrer Festnahme.“ (taz 24.8.18)
Seit 23 Jahren fordern ihre Familien öffentlich ihre Aufklärung. Über 700 Kundgebungen fanden statt.
Der Putsch in der Türkei fand nach Plänen der Nato statt und folglich wurde dieser auch von der damaligen Regierung Schmidts unterstützt.

Heute

Der von Erdogan verhängte Ausnahmezustand im Sommer 2016 und der Krieg gegen die Bevölkerung sind von allen NATO-Staaten unterstützt worden. So ist es auch logisch, dass auch heute weiter politische Aktivist*innen „verschwinden“, wie es kürzlich mit Ayten Öztürk passiert ist.
Die BRD ist inzwischen die stärkste europäische Macht und hat so deshalb auch ein eigenes Interesse am Status Quo in diesen Ländern. Deshalb wird die Verfolgung von kurdischen Politiker*innen und Revolutionär*innen aus der Türkei im Innern auch bundesweit forciert: Zum Beispiel durch den §129b.
In diesem Zusammenhang soll auch daran erinnert werden wie hier mit revolutionären Gruppen umgegangen worden ist: 9 Gefangene aus bewaffneten anti-imperialistische Gruppen wie z.B. der RAF wurden in den Knästen der BRD in den siebziger und achtziger Jahren ermordet, weil diese Organisationen diese Entwicklung bekämpften.
Diese Beispiele im eigenen Land zeigen, dass die BRD nichts gegen das Verschwindenlassen von Linken in anderen Ländern hat. Dieses Vorgehen wird national wie international als „Kampf gegen den Terrorismus“ gerechtfertigt.