Auftakt im §129b-Prozess gegen Musa Aşoğlu

 

Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen, Hamburg

Gegen den Revolutionär Musa Aşoğlu begann nach über einjähriger Untersuchungshaft am 25. Januar 2018 der Prozess nach §129b, welcher „die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland“ unter Strafe stellt. Am 30. Januar fand der zweite Verhandlungstag statt. Der Prozess läuft vor dem OLG Hamburg, Sievekingplatz 3, und ist vorerst bis Anfang August terminiert. Die Termine sind auf Seite 34 abgedruckt.

Der erste Prozesstag

Die Einlasskontrollen waren sehr umfassend mit Körperscanner, Abtasten und Durchsuchen der Taschen. Allerdings mussten die Pässe nicht vorgelegt werden. Diese Maßnahmen führten dazu, dass der Einlass sehr zeitraubend war und einige Besucher*innen den Gerichtssaal erst betreten konnten, als der Prozess schon begonnen hatte. Im Saal befand sich eine große Trennscheibe, die das Publikum von den Gerichtsbeteiligten trennt.
Die Zuschauer*innen ließen sich von den strengen Maßnahmen nicht einschüchtern und füllten den Gerichtssaal. Sie begrüßten Musa mit den Parolen „Freiheit für Musa Aşoğlu“ und „USA – internationale Völkermordzentrale“. Zuvor hatten rund 120 Genoss*innen entschlossen mit roten Fahnen und Transparenten vor dem Gerichtsgebäude für Musas Freiheit demonstriert. Zudem wurden revolutionäre Lieder von Grup Yorum angestimmt.
Nach der Identitätsfeststellung durch die Richterin begann der Prozess mit der Verlesung der Anklageschrift durch den Staatsanwalt, welcher akribisch mutmaßliche Aktivitäten Musas im Zeitraum von 2005 bis 2013 auflistete und ihn als hochrangigen Funktionär innerhalb der DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) bezeichnete.
Anschließend stellte die Verteidigung die Türkei unter dem AKP-Faschismus treffend als terrorististsches Unrechtsregime heraus, in dem der Ausnahmezustand OHAL herrsche, wo tausende Menschen ihrer Arbeit beraubt worden seien und Student*innen, Anwält*innen, Abgeordnete, Arbeiter*innen und Journalist*innen inhaftiert und gefoltert würden. Die Verteidigung bezeichnete die Türkei als ein großes Gefängnis und erklärte, dass es kein Verbrechen sein könne, in einem Land zu kämpfen, wo Folter, Repression, Massaker und Tötung systematisch herrsche. Es wurde hervorgehoben, dass Recep Tayyip Erdoğan Terrororganisationen wie die ISIS und die Al-Nusra unterstütze und verantwortlich sei für Massaker, die innerhalb und außerhalb der Grenzen der Türkei verübt wurden. Zudem verwies die Verteidigung auf die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten der AKP in Europa und erklärte, dass diese vom türkischen Staat finanziert würden.
Nach weiteren Ausführungen forderte die Verteidigung deshalb, das Verfahren einzustellen und Musa freizulassen, woraufhin das Gericht die Verhandlung auf den 30. Januar vertagte, um über diesen Antrag zu entscheiden.

Der zweite Prozesstag

Auch am 30. Januar begann die Verhandlung mit Parolen, die Musa begrüßten. Zunächst bezog sich die Saatsanwaltschaft auf den Antrag der Verteidigung vom 25. Januar und erklärte, dass es nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 zwar Rechtsverstöße gegeben habe, sich der Haftbefehl gegen Musa aber auf die Zeit vor dem Putschversuch beziehe und Musa in Bezug auf die allgemeine Sicherheit eine Gefahr darstelle.
Das Gericht unterstützte die Staatsanwaltschaft und gab natürlich bekannt, dass der Antrag abgelehnt wurde. Für das Gericht und die BAW sei die Türkei ein „seriöser Partner“, d.h. „business as usual“ zwischen den beiden Staaten. Türkei und BRD haben beide als NATO-Staaten gemeinsame imperialistische Interessen.
Die Verteidigung kritisierte diese Ablehnung scharf. Es sei falsch, die Zeit vor dem Putschversuch und die Zeit danach zu unterscheiden.
Sie forderten, dass alle Dokumente für Musa übersetzt werden müssten, da das schriftliche Dokument der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Antrags der Verteidigung nicht übersetzt worden sei. Sie gingen auf die Verteidigungsrechte ein und forderten Änderungen in Bezug auf die Trennscheibe bei Anwaltsbesuchen. Diese müsse entfernt werden, da die Vorbereitungen einer anständigen Verteidung durch das Erschweren der Kommunikation behindert würden.
Die Behinderung der Verteidigung ist aber nichts neues, sondern hat eine lange Tradition bei Staatschutzverfahren; denn schon bei den Verfahren gegen die Gefangenen aus der RAF war das Standard.
Die Verhandlung wurde auf den 31. Januar vetagt.

Demnächst soll der Kronzeuge Alaattin Ateş aussagen

Ateş ist Doppelagent des BND und des türkischen Geheimdienstes MIT und trat schon in den Verfahren gegen Cengiz Oban und Nurhan Erdem in Düsseldorf, später dort auch gegen Latife und in Stammheim gegen Muzaffer Doğan, Özgür Aslan, Sonnur Demiray und Yusuf Taş auf und belastete sie alle schwer.
Er war wohl bei den türkischen Genoss-*Innen tätig. Nach seinem Verrat kursierten Steckbriefe von ihm. Ateş wurde daraufhin unter Bullenschutz gestellt.
Auch die Anklageschrift gegen Musa basiert überwiegend auf Ateş Denunziationen. So eine Figur soll also wahrscheinlich auch in diesem Verfahren der zentrale Belastungszeuge sein.

Wie schätzt Musa das Verfahren ein?

In seinen Briefen teilte Musa seine Meinung zu den §129b-Prozessen mit und hielt folgendes fest: „Da die Verurteilung schon feststeht, ihre Funktion auf das ‚Mitmachen bei diesem Justiztheater‘ reduziert ist, hat die Verteidigung im Prozess für uns keine positive Bedeutung.“
Bezüglich der Erfahrungen aus diesen Prozessen resümierte er: „Alles ist in den §129b-Verfahren schon standardisiert und wirkt wie abgesprochen: Bei ‚PKK‘-Prozessen: Keine Trennscheibe bei Anwaltsbesuchen. Isolation 3-6 Monate. 2,5-3 Jahre Haft. Bei ‚IS-Verfahren‘: Nach kurzer Isolation 3-4 Jahren Haft. Bei ‚DHKP-C‘-Prozessen: Anwaltsbesuche mit Trennscheibe. Isolation bis zum Ende der Revision so bis um die 3 Jahre. Urteile bis zu 6 Jahren und 9 Monaten.“
Als Fazit erklärte Musa: „Darauf zu reagieren, ist nicht eine juristische, sondern eher eine politische Option.“

Was sagen die bürgerlichen Medien?

Publikationen wie regionale Tageszeitungen sowie Funk und Fernsehen transportieren durchweg die Lügen und Verdrehungen des Staatsschutzes: „Terrorist oder Anführer der Terroristen“ lauteten die Schlagzeilen.
Dass aber Musa seit über einem Jahr 24 Stunden totalisoliert wird, wurde igoniert. Musa hat seit 13 Monaten wenig Menschen gesehen – neben seinen Anwältinnen nur überwachte Trennscheibenbesuche durch LKA zwei Stunden monatlich – daher ist es logisch, dass er sich freut, viele solidarische Menschen nach so langer Zeit zu sehen! „Lächelte viel“ fällt dazu der „Hamburger Morgenpost“ zu Musa nur ein.
Aber durch die massive Präsenz von Solidatiätsstrukturen konnte diesen Diffamierungen etwas entgegengesetzt werden. So kommen die Medien nicht drumherum, den „Jubel“ für Musa, die roten Fahnen und ebenso die Freiheitsparolen zu erwähnen.

Solidarität wird verfolgt

Es hat sich schon nach zwei Prozesstagen gezeigt, dass der Verurteilungswille der Klassenjustiz offensichtlich ist. Es hat sich auch gezeigt, wie wichtig es deshalb ist, Gegenöffenlichkeit herzustellen.
Seit der Verhaftung von Musa Aşoğlu findet deshalb jeden Donnerstag von 16.00 bis 17.00 Uhr eine Kundgebung vor dem Untersuschungsknast am Holstenglacis statt.
So auch am Donnerstag, den 25. Januar, nach dem ersten Prozesstag. Am Ende der Kundgebung wurden Jugendliche von einer Polizeihundertschaft angegriffen. Einigen dieser Jugendlichen von Avrupa Dev-Genç (Revolutionäre Jugend Europa) wird vorgeworfen, in der unmittelbaren Nähe vom Kundgebungsort entfernt, auf einer städtischen Grünfläche an der Mauer des Untersuchungsgefängnisses Parolen gerufen zu haben. Die Polizei bezeichnet diese Solidarität als eine Straftat.
Weil die Genoss*innen sich weigerten, ihre Personalien anzugeben, griff die Polizei hart duch und nahm fünf Personen fest. Erst gegen 01:30 Uhr wurden schließlich alle fünf Personen, nach circa sieben Stunden entlassen. Sie berichteten, auf der Hauptwache geschlagen worden zu sein, so dass alle Festgenommen starke Prellungen und Wunden erlitten. Nach ihrer Entlassung fuhren sie ins Krankenhaus und ließen sich dort behandeln.

Internationale Solidarität

Schon die Parole “USA – internationale Völkermordzentrale!“, die auf der Kundgebung am ersten Prozesstag für Musa gerufen wurde, zeugt von einem Internationalismus.
Auf einer Konferenz in Beirut am 20. Januar 2018 von der „Anti-imperialistischen Front gegen Imperialismus und Zionismus“ wurde neben der Freiheit von Georges Ibrahim Abdallah auch die von Musa Aşoğlu gefordert

Musa Aşoğlu ist nicht alleine!
Freiheit für Musa Aşoğlu!
Freiheit für alle politischen Gefangenen!
Weg mit den Paragraphen §§129!

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Termine im Prozess gegen Musa Aşoğlu

Prozesstermine:

– Dienstag, den 6.2. 18 von 10:00 -16:00 Uhr
– Mittwoch, den 7.2. 18 von 13:00 – 16: 00 Uhr
– Mittwoch, den 14.2. 18 von 13:00 – 17: 00 Uhr
– Donnerstag, den 15.2. 18 von 10:00 -16:00 Uhr
– Mittwoch, den 21.2. 18 von 10:00 – 16:00 Uhr
– Donnerstag, den 22.2. 18 von 10:00 -16:00 Uhr
– Donnerstag, den 01.3. 18 von 10:00 -16:00 Uhr
– Freitag, den 2.3. 18 von 10:00 -13:00 Uhr
– Donnerstag, den 22.3.18 von 12:00 – 16:00 Uhr
– Montag, den 26.3.18 von 12.00 – 16300 Uhr
– Donnerstag, den 5.4.18 von 10.00 – 16:00 Uhr
– Freitag, den 6.4.18 von 12.00 – 16:00 Uhr
– Donnerstag, den 12.4.18 von 10.00 – 16:00 Uhr
– Freitag, den 13.4.18 von 10.00 – 16:00 Uhr
– Dienstag, den 17.4.18 von 10:00 -16:00 Uhr
– Mittwoch, den 18.4.18 von 10:00 – 16: 00 Uhr
– Montag, den 23.4.18 von 10:00 – 16: 00 Uhr
– Dienstag, den 24.4.18 von 10:00 -16:00 Uhr
– Donnerstag, den 3.5.18 von 10:00 -16:00 Uhr
– Freitag, den 4.5.18 von 10.00 – 16:00 Uhr

Termine sind bis zum 6.8.18 terminiert.
Änderungen sind kurzfristig möglich