Nadia Lioce – Mobilisierung, Prozess und Bericht

Wir veröffentlichen zwei Artikel zu Nadia Desdemona Lioce, eine in Italien gefangene Militante der BR-PCC (Rote Brigaden – Kämpfende Kommunistische Partei). Sie ist standhaft und sie ist deshalb schärfsten Haftbedingungen ausgesetzt. (red.)

Prozess und Mobilisierung für Nadia Lioce

Proletari Torinesi per il Soccorso Rosso Internazionale | proltosri@libero.it

Am Freitag, den 24. November 2017 wird die Anhörung im Gericht von L‘Aquila gegen die Militante der BR-PCC NADIA LIOCE stattfinden. Sie soll wegen einigen Protesthandlungen gegen die Restriktionen verfolgt werden, die zusätzlich zu den schon schwersten Haftbedingungen des Art. 41bis verfügt wurden.
Drei Bücher in der Zelle: diese neue Beschränkung reduziert das Recht auf Lesen und Lernen fast vollständig. Dabei muss das seit Jahren bestehende Verbot, von Familienmitgliedern und Genossen Bücher und Veröffentlichungen zu erhalten, in Betracht gezogen werden. Nadia kann ihren Lesestoff mit allen nur erdenklichen Zensurmaßnahmen und Verzögerungen nur über die Gefängnisdirektion beziehen. Dazu kommt der tägliche Druck der Durchsuchungen und Wegnahmen jedes noch so kleinen „vom Reglement nicht erlaubten“ Objektes. Auch das ist eine Maßnahme, die mit Sicherheit überhaupt nichts zu tun hat, aber eine schwerwiegende Einmischung ins tägliche Leben darstellt. Die Gesamtheit an Einschränkungen und Entzug macht aus dem Haftregime Art.41bis eine echte Folter. NADIA hat trotz der Beschränkungen der Isolation und des Entzuges oft protestiert und so Disziplinarrapporte und Strafmassnahmen angehäuft, die aus Perioden noch stärkerer Isolierung bestehen..! Grotesk, in aller Grausamkeit. Der Wille, die revolutionären Militanten langsam zu zerstören, wird vom Staat der Massenmorde und dem Imperialismus aufs feigste umgesetzt, bzw. stillschweigend und unter Medienzensur. Der Zweck dieser Folter ist auch abschreckend und terroristisch (den revolutionären Weg ja nicht von neuem versuchen), weil NADIA und die anderen Gefangenen mit ihrer Kohärenz und ihrem Mut die Geschichte und die Perspektive einer möglichen proletarischen Revolution darstellen. Die dem Soccorso Rosso Internazionale angegliederten Organisationen haben mit anderen Solidarischen zur Mobilisierung für diesen Tag aufgerufen. Schon bei der vorherigen Anhörung gab es vor dem Gericht von L‘Aquila eine von den Genossinnen des Movimento Femminista Proletario Rivoluzionario mit Spruchbändern und Flugblättern abgehaltene Versammlung. Wie auch vor dem Gericht von Turin – deswegen die Dokumentation auf der Site FB dei Proletari Torinesi per il SRI – während in Mailand, Turin und anderswo Plakate angebracht wurden. Die Solidarität gegenüber diesen GenossInnen gehört, mit anderen Initiativen gegen die Repression und, unter Anhebung der Substanz und Qualität, für die Entwicklung der Widerstände, zum Wiederaufbau eines Klassengeflechtes. Diese GenossInnen wollen Freiheit und Haftbedingungen weder mit Kompromissen und Kapitulationen – wie die verschiedenen Vorschläge zur Distanzierung und zu „politischen Lösungen“ – noch mit legalistischen Protestformen – wie an andere Institutionen gerichtete Petitionen und Fürbitten – tauschen. Sie bevorzugen hingegen das revolutionäre Interesse der Klasse und den Bedarf nach Aufbau von Stärke und Organisierung. Und das muss man jenen Bewegungsszenen gegenüber betonen und in Erinnerung rufen, die jedoch, obwohl manchmal zur Solidarität bereit, dazu neigen, sie in obengenannte Formen zu verzerren und so ausgerechnet die essentielle Identität der Gefangenen zu missachten. In einer Phase, in der die Grausamkeit des Systems und seiner repressiven Gewalt immer mehr die Frage stellen wird, wie man diese Bleikuppel stürzen und kämpfen kann um die Perspektive einer gesellschaftlichen Umwälzung erneut zu eröffnen, heisst die entsprechende Solidarität: Unterstützung der essentiellen Gründe und Motivationen des revolutionären Kampfes. Heisst auch, auf allen Ebenen den Kampf gegen die Repression zu übernehmen, da ihre verschiedenen Formen alle Kämpfe treffen. Es ist eine auf verschiedene Ebenen aufgegliederte Repression, jedoch mit einem einzigen Zweck, nämlich die proletarische Rebellion und Bildung einer starken Widerstandsbewegung gegen die soziale Zersetzung und Unterdrückung zu verhindern. Es ist nunmehr auch der einzige Horizont der Regierungspolitik, die bis zu den gewalttätigeren Formen wie eben das Haftregime 41bis reicht. Art. 41bis ist Folter! Er gehört aufgehoben und basta! Niemand darf so behandelt werden. Am 24. November ist die neue Anhörung vorgesehen. Relancieren wir also einen Tag der Mobilisierung in Solidarität mit Nadia und den anderen revolutionären Gefangenen. Ein Tag stärkerer Wirksamkeit und Entschlossenheit.

Ein Bericht der anwesenden GenossInnen der RHI-SRI

PT-SRI (Proletari Torinesi – Per il Soccorso Rosse Internazionale / Turiner Proletarier – Für eine Rote Hilfe International)

Die Mobilisierung in L’Aquila war ein großer Erfolg. Sie führte mehrere Kollektive und Militante aus dem Norden und Süden zusammen – aus Ivrea, Biella , Genua, La Spezia, Mailand, Bologna, Florenz, Rom, Neapel, Taranto und GenossInnen aus L’Aquila selbst – ein Treffen von ungefähr 80 anwesenden Personen.
Wenn wir die Transportschwierigkeiten (viele haben eine mühsame zweitägige Reise auf sich genommen) und die dafür aufzubringende Zeit in Betracht ziehen, war es doch eine beachtliche Zahl. Erst recht wenn man dieses kriminalisierende Terrorismusklima betrachtet, welches vom Staat gegen Nadia, Roberto und Marco (Militante der BR-PCC unter 41bis Haftbedingungen) angewendet wird.
Der erste Treffpunkt war beim Gericht. Zuerst vor dem hässlichen Gebäude, dann im Saal selbst (nachdem selbstbewusst die Polizeisperre durchbrochen wurde). Dort wurden wir leider Zeugen einer weiteren Art der Repression, welche der Genossin eine Videoübertragung vom Gefängnis aus aufzwingt. Ihre Präsenz reduzierte sich somit auf ein winziges Bild, weit entfernt und jederzeit automatisch von den Richtern zensierbar. Nadia bevorzugte es ein Erklärungsdokument zu ihren Akten einzureichen. Sie entschied sich also für einen schriftlichen Beitrag ohne selbst zu intervenieren. Dieser Beitrag wird bald (auch auf Deutsch) zu lesen sein. Dieses obszöne Spektakel, welches die Folter des Artikel 41bis verübt, ging weiter indem über die Störung geklagt wurde, welche durch die Proteste Nadias, wegen den aufdringlichen Durchsuchungen und Entzügen, verursacht wurde. Was für ein Leiden für die Folterer!
Zum Schluss der Anhörung ließen wir Nadia unsere Anwesenheit durch Parolen und ausgerollte Transparente fühlen. Ein starker Moment.
Gleichzeitig erhielten wir eine Nachricht von unseren GenossInnen aus Turin über ihre erfolgreiche Platzkundgebung vor dem „Justiz“-Palast. Auch da wurden Transparente aufgehängt und Flugblätter verteilt: „41bis = Staatsfolter“ „Solidarität mit den revolutionären Gefangenen“.
Anschließend ging es in Richtung Gefängnis. Auch da mussten Polizeisperren durchbrochen und Androhungen einer Anzeige hingenommen werden. Wir kommunizierten lautstark und mit Musik für einige Stunden mit den Gefangenen.
Das qualitative und politische Niveau der Mobilisierung war gut. Es wurde eine gemeinsame Grundlage erarbeitet in der unnachgiebigen Verteidigung derer, welche den revolutionären Kampf auf dem höchsten Niveau von Perspektive und Angriff auf sich genommen haben. Sie zu verteidigen bedeutet, die Militanten innerhalb der antagonistischen Bewegung zu verstehen und deren Identität und die beschrittenen Wege in den Klassenausdrücken miteinzubeziehen. Viele Beiträge aus dem Lautsprecher waren der Meinung, dass man einem grausamen System, welches immer mehr soziale Verwüstungen vorantreibt, einem System, dass aus einer repressiven und kriegstreiberischen Natur entspringt, zu aller erst mit Solidarität entgegen treten muss. Die Klassenkräfte vereinen und sie in eine Perspektive des revolutionärem Zusammenstoßes entwickeln. Der Revolution als Notwendigkeit, die von diesem kapitalistisch-imperialistischem System, welches vollkommen unreformierbar und am Sterben ist, aufgezwungen wird.
Es wurden auch weitere Kampf- und Repressionssituationen zitiert. Ausgehend von den Gefängnissen bis zu den Aufenthaltszentren für Migranten und Flüchtlinge. Diese sind wie eine Bleiglocke über der proletarischen Realität. Dazu vermehren sich Formen der Massenrepression bei der Arbeit und in den Quartieren. Mehrere Stimmen wurden für eine Einheit laut. Zusammen kämpfen, diese Repressionswirklichkeiten und die Ausbeutung zusammenführen, um sie in eine Kraft und Perspektive für eine Veränderung umzuwandeln.
Viele Teilnehmer sind selbst in verschiedenen Kämpfen und Fronten gegen andere Repressionsmaßnahmen involviert. Somit ist diese Mobilisierung wirklich innerhalb einer breiteren Solidaritätsbewegung. Eine der besten Hilfen, die wir den Menschen hinter Gittern anbieten können. Wir verabschieden uns und erinnern an die nächsten Kundgebungen. Die nächste Anhörung des Prozesses gegen Nadia Lioce ist am 4. Mai 2018.