40 Jahre „Deutscher Herbst“ – 1977 – Eine Ergänzung

Redaktion

In der Oktober-Ausgabe (Nr. 410) unserer Zeitung hatten wir bereits einen Schwerpunkt zum 18. Oktober 1977. Wir hatten versucht, das Thema mit mehreren Beiträgen zu beleuchten und besonderen Wert auf Fremdbeiträge – insbesondere aus den Knästen – gelegt. Wegen der erschwerten Postkommunikation mit den §129b-Gefangenen hatten uns mehrere Zusendungen erst nach Redaktionsschluss erreicht. Erfreulicherweise können wir – nach der Entscheidung den besagten Themenschwerpunkt fortzusetzen – diese Beiträge in dieser Ausgabe veröffentlichen. Es handelt sich dabei um drei Beiträge von Gefangenen aus dem ATIK-Verfahren.
Zudem erreichten uns zwei Beiträge von Menschen der jüngeren Generation, die 1977 noch gar nicht geboren waren. Außerdem haben wir einen Veranstaltungsbeitrag zur Thematik, welcher in Bremen, Hamburg und Leipzig vorgetragen wurde.

In diesem Zusammenhang gab es relevante Aktivitäten und Beiträge

In Stuttgart wurde ein Kranz von der RHI (Roten Hilfe International) an den Gräbern von Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe niedergelegt. Auch fand dort eine gut besuchte Veranstaltung mit dem Autor Helge Lehmann statt, der überzeugend die staatliche Selbstmordlegende widerlegte. An dieser beteiligten sich 180 Menschen. Ebenso wurde eine Broschüre zur Oktoberrevolution und zum 18. Oktober 1977 von der RAS (Revolutionäre Aktion Stuttgart) veröffentlicht. Zudem wurden diverse Plakate von Aktivist_innen verklebt, die wir in dieser Ausgabe dokumentieren.
In Magdeburg fand am 18. Oktober 2017 ein Prozess gegen Gentrifizierungs-Gegner statt. In der Prozessmitteilung wurde zur Stammheimer Todesnacht Bezug genommen. Im Ortsteil Stadtfeld wurde eine Erklärung zum 18. Oktober 1977 per Lautsprecher von den Dächern verlesen.
In der „jungen Welt“ äußerten sich zwei ehemalige Militante aus der RAF, Christian Klar und Ron Augustin zu diesen Ereignissen. Zudem schrieb Musa Aşoğlu einen Artikel auf türkisch. Auch in der Internetzeitung „Schattenblick“ wurden vier lesenswerte Beiträge veröffentlicht.

Zum Tatort-Krimi „Der rote Schatten“

Im „Schattenblick“ erschien ein Interview mit unserem presserechtlichen Verantwortlichen Wolfgang Lettow, welches unseren Standpunkt zum Tatort-Krimi „Der rote Schatten“ ganz gut vermittelt:
SB: Die ARD hat in Dominik Grafs Stuttgarter „Tatort: Der rote Schatten“ die Todesnacht von Stammheim für ein breites Fernsehpublikum thematisiert. Wie bewertest du diese Verarbeitung in Gestalt eines zeitgenössischen Krimi-Szenarios?
WL: Zur Sprache kam im Tatort die Selbstmordvariante, aber andererseits auch die Möglichkeit, dass die Gefangenen von einem Spezialkommando liquidiert worden sein könnten. Dass diese Frage überhaupt in dieser Form thematisiert wird, ist auf jeden Fall zu begrüßen. Andererseits entspricht die Darstellung der Leute, die der RAF auch nach deren Auflösung zugerechnet werden, natürlich nicht der Realität. Es wurde sehr viel mit Sex & Crime gearbeitet, was nach meiner Erfahrung, die ich mit ehemaligen Gefangenen der RAF gemacht habe, nicht der Wahrheit entspricht. Es wurde wieder ein grob verzerrtes Bild gezeichnet, aber trotz alledem ist es ein erster Schritt. Die Reaktion von höchster Stelle, von Steinmeier und dann auch von (Stefan) Aust, der ja öffentlicher Meinungskommissar ist, zeigte, dass im Tatort etwas Richtiges angesprochen wurde. Wir haben in der Diskussion über Helge Lehmann gesprochen, der Mitte der 1960er Jahre geboren wurde und daher die Ereignisse erst in ihrer späteren Darstellung mitbekommen hat. Seine Zweifel an der Version des Staates, auf welche Weise sich die Gefangenen umgebracht haben sollen, veranlassten ihn, die offiziellen Angaben unter anderem mit Hilfe praktischer physikalischer Versuche nachzustellen. Er kam nach gründlicher Untersuchung zu dem Schluß, dass es so nicht gewesen sein kann, was er dann in Form eines Buches publiziert hat. Insofern war der Tatort überraschend, denn er hat etwas zur Sprache gebracht, was lange versiegelt schien, aber weiter verfolgt werden sollte.
(INTERVIEW/393: Rückblick RAF – Kontinuität eines Standpunktes (…) Wolfgang Lettow im Gespräch [SB])
„Bild“ schrieb zu diesem Krimi, dass es „RAF-Propaganda“ sei. Das bedeutet für uns, dass in diesem Film etwas Wahres angesprochen worden ist und dass wir die staatliche Version der Todesnacht auch weiterhin offensiver hinterfragen sollten.

Als Fazit möchten wir insgesamt festhalten, dass die zahlreichen Reaktionen, die es auch jetzt noch nach 40 Jahren von der (radikalen) Linken gab, erfreulich sind.

Revolutionäre Geschichte aneignen,
verteidigen und weiterentwickeln!